Der Sonntagsbesuch

Ein Gedicht von Ingrid Baumgart-Fütterer
- der unauslöschlich in Erinnerung bleibt -

Vorspann: Nach einer anstrengenden Arbeitswoche mit etlichen Überstunden, bringe ich meine Wohnung samstags auf Hochglanz. Nach dem Großeinkauf koche ich für mindestens vier Personen vor, backe Kuchen und Plätzchen. Ich decke den schön dekorierten Tisch und bin mit meinen Vorbereitungen rundum zufrieden. Am frühen Nachmittag klingelt es und die Besucher treten ein.

Eltern, Sohn besuchen mich,
Schmackhaftes tische ich auf,
sie lassen, äußerst peinlich,
der Natur nun freien Lauf.

Sie essen bis nichts mehr geht,
wischen Finger an Polstern ab
laut schmatzend die Tischzeit vergeht,
Wünsche halten mich auf Trab.

Mein antikes Schaukelpferd
wird zu Schanden geritten,
die Eltern das gar nicht schert,
umsonst sind meine Bitten.

Er gibt dem Pferd die Sporen,
prügelt auf es ein wie wild,
reißt ihm ab beide Ohren
nichts seinen Übermut stillt.

Der Schweif aus echtem Rosshaar
wird sein nächstes Angriffsziel,
ausgerupft wird Haar für Haar,
mir wird bald alles zu viel.

Die Betten, frisch bezogen,
ziehn den Lauser magnetisch an,
als stehe er unter Drogen
springt ins Bett der kleine Mann.

Mit Stiefeln, total verdreckt,
hüpft er auf Matratzen herum,
mir dabei die Zunge ausstreckt,
vor Schreck bin ich starr und stumm.

Von Sessel zu Sessel er hüpft,
jeder für ihn ein Trampolin,
blitzschnell er unter den Tisch schlüpft,
zieht die Tischdecke an sich hin.

Gläser, Teller fallen runter,
gehen auf dem Boden zu Bruch,
der Lauser wird erst recht munter
und verbreitet Uringeruch.

Mit der Hose, stark eingenässt,
er sich aufs Sofa fallen lässt,
das ist der Rest vom Schützenfest,
dieses Chaos gibt mir den Rest.

Erst nach Stunden brechen sie auf
- Räume übel zugerichtet -
übermüdet raff ich mich auf,
räum auf, bis Chaos sich lichtet.

Die Aufräum-Säuberungsaktion
dauert bis weit nach Mitternacht,
ja, Undank ist der Welten Lohn,
mein Ärger allmählich abflacht.

Morgens melde ich mich krank,
kann vor Müdigkeit kaum stehn
schlaf wie ein Stein, Gott sei Dank,
im Schlaf zwölf Stunden vergehn.

Abspann: Nach einer Woche erhalte ich eine Karte mit folgendem Wortlaut:
"Die Einladung haben wir sehr genossen, vor allem unser Sprössling.
Wir freuen uns schon jetzt auf die nächste! Bis bald."

Kein Wort des Dankes!

Informationen zum Gedicht: Der Sonntagsbesuch

47 mal gelesen
18.11.2022
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Ingrid Baumgart-Fütterer) für private und kommerzielle Zwecke frei verwendet werden.
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