Wattwurm im Venusjahr ...
Ein Gedicht von
Annelie Kelch
Um wie viel friedlicher wäre das Leben,
würden ins Tuch der Nacht nicht allein Mond
und Sterne, sondern auch Gewaltlosigkeit gewebt,
und hätte das Kleid des Tages Taschen, darin genügend
Brot und Früchte Platz fänden für die Ärmsten dieser Welt.
… wenn nimmer Vertrauen zerstört und
nimmer abgerechnet würd Aug um Aug
und Zahn um Zahn … und wenn es Schiffe gäbe,
die unser Fernweh jederzeit von jedem Ufer aus
in ferne Länder trügen, wo ich dich niemals gegen
einen anderen Menschen eintauschen wollt ...
selbst dann nicht, wenn Katzen dir explizit aus dem Weg
schlichen und sämtliche Tauben auf dem Markusplatz
wegen dir in Gelächter ausbrächen oder dich gar die
Lepra befallen sollt in Brasilien oder Indien, wo
sie noch immer lebhaft wuchert und schuppt.
Wie die Prophetenbücher und Psalmen im
Alten Testament will ich dich ehren auch dann,
wenn du keinen Deut drauf gäbest und ungläubig
wärst wie ein Neandertaler, obwohl jene ihre
Toten liebevoll und mit Beigaben bestattet haben:
Blumen, Nahrungsmittel, Schmuck – und Waffen
gegen wilde Tiere und handgreifliche Kränkungen
des todbringenden Gevatters post mortem.
Gib acht, mein Lieb, lass dich nicht fallen auf jenen Stuhl,
den das Leben fürs Glück hingestellt hat und erinnere dich:
Wir leben im Jahrhundert der Biologie und im Jahr
der Liebe und Harmonie (Venusjahr).
O Biologie, o Leben … Viren im Doppelpack: Mimi-
und Mamaviren* … Und Fragen … So viele Fragen ...
während Würmer sich durch feuchten Sand fressen und
U-Bahnnetze für Kleinstlebewesen im Watt hinterlassen,
die ich abzuschreiten pflegte wie eine Königin die Garde
eines fremden Landes.
Sofern ich dich mit meiner Stärke erfreuen könnt,
soll 's daran nicht fehlen, doch lieber wäre ich schwach,
vorzugsweise in deinen Armen, darin auszuruhn mir
hin und wieder gestattet sein sollte.
Wie der Regenbogen ein Zeichen Gottes zur Versöhnung
mit uns Menschen verkörpert und eine Verbindung zwischen
Himmel und Erde knüpft, so will auch ich immer
wieder Zeichen meiner Liebe zu dir setzen.
*Aus einem Kühlturm im englischen Bradford isolierten Wissenschaftler bereits vor einigen Jahren ein Riesenvirus, der Amöben der Art Acanthamoeba polyphaga befällt. Mit 400 Nanometern (400 Millionstel Millimetern) sind sie anderen Viren an Größe weit überlegen. Von Forschern wurden sie deswegen zunächst für Bakterien gehalten. Wegen ihrer Nachahmung (Mimickry) erhielten sie den Namen Mimivirus. Ihr Erbgut enthält Gene für mehr als 900 Proteine – mehr, als so manches Bakterium aufweisen kann.
Wenig später isolierten Forscher aus einem Pariser Kühlturm ein weiteres Amöbenvirus, das mit dem Mimivirus verwandt ist: das Mamavirus. Zur Überraschung der Wissenschaftler gibt es das Virus im Doppelpack. Es ist mit einem wahren Winzling vergesellschaftet, der nur knapp ein Zehntel der Größe des Amöbenvirus besitzt und den Namen Sputnik erhielt.