Leute, ich brauche nicht zu lügen,
den schlimmsten Winter gab es auf Rügen.
Es war, als einst der Schneesturm kam
und der Hochspannung die Leitung nahm.
Der Rügendamm war tief verschneit,
kein Rad drehte sich weit und breit.
Der Morgenkaffee fiel schon aus,
denn Wasser gab es nicht im Haus.
Ohne Strom keine Pumpe lief,
ohne Pumpe blieb das Grundwasser tief.
Mit einem Witz auf den kalten Lippen
mussten wir sauberen Schnee schippen.
Mussten Kohlen schleppen, Kessel heizen,
und auch mit allen Vorräten geizen.
Der Nachschub, der uns sonst gehört,
war auf unbestimmte Zeit gestört.
Am schlimmsten war das laute Klagen
der Kühe in den Melkanlagen.
Ohne Strom die Milchanlage ruhte,
während rundum die Herde muhte.
Freiwillige machten sich die Mühe,
melkten per Hand die vielen Kühe.
Babys suchten der Mutter Brust,
obwohl die Mütter oftmals keine Lust.
Olympiade zwar im Fernsehen lief,
doch ohne Strom die Technik schlief.
Ich musste mich dem Wetter beugen,
im Schnee trotzdem Strom erzeugen.
Er diente nur der Situation zum Hohn,
der täglichen Statistik-Kommunikation.
Berlins Generäle, satt im Warmen,
hatten endlich mit dem Volk Erbarmen.
Proras Panzer die Luken hoben
und durch den Schnee sich schoben.
Wege und Trassen wurden frei gemacht,
der Strom geflickt, vorbei die Nacht.
Und taten auch die Knochen weh,
jeder schippte, streute, fuhr den Schnee.
So kämpften wir von früh bis spät
und wussten, das ist Solidarität.
08.01.2014 © Wolf-Rüdiger Guthmann