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Gedichte über Alltägliches - Seite 1022


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Der Kuchen

Ich darf zwar keine Werbung machen,
doch hier gibt’s immer was zum Lachen.
Neulich saß ich in der langen Wartereihe
und lauschte mit auf die Massageschreie.
Wir haben uns gerade vor Lachen gebogen,
da ist die Haustür weit aufgeflogen.

Eine ältere Dame kam mit vollen Händen
und etlichen Beuteln um die Lenden.
Ein Päckchen sie sehr behutsam legte,
ich schaute, ob sich da etwas bewegte.
Kommt sie vielleicht vom Tierarzthaus,
dann ist in der Tüte eine weiße Maus.

Die Dame hielt sie mit festen Händen
ohne ihren Inhalt uns zu senden.
Ich wollte mich meinem Buch zuwenden,
da schien ihre Sprachlosigkeit zu enden.
„Beim Bäcker war es das letzte Blech.
Sonst habe ich nämlich immer Pech.“

Alle Köpfe sich nun zu ihr drehten,
zumal jetzt süße Düfte wehten.
Speichel sich aus diesem Grund
bildete in manchem Mund.
„Blaubeerkuchen war der letzte Posten!“
„Oh, den würde ich jetzt gerne kosten.“

So dachte vorerst leise nicht nur ich
sondern auch die andern sicherlich.
Die Dame machte jetzt den Fehler,
blieb ein Appetit machender Erzähler.
Sie sagte: „Wir können uns nicht laben,
weil wir keine Teller und Löffel haben.“

Schon hörte man die Chefin weg hasten,
erscheinen mit Pappen und Besteckkasten.
Alle hatten es mit Wirbelsäule oder Steiß,
doch im Nu bildeten sie einen Kreis.
Mit Pappe und Löffel wurde die Tüte
zum Kuchenspender erster Güte.

Ehe die Patientin sich versah,
war nur noch die leere Tüte da.
Alle zogen eilends sich zurück
mit dem unverhofften Glück.
Ich habe ihr 10 Euro beschert,
denn das war der Spaß mir wert.

23.01.2019 © Wolf-Rüdiger Guthmann
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