Zum Wohl, Herr Kohl
Ein Gedicht von
Georg Babioch
Vor etwa eineinhalb Jahren reiste ich mit einem Zug
In die DDR, zwei Koffer ich damals bei mir trug,
Und blickte neugierig zum Fenster hinaus,
Besah dieses, jenes, ich glaube jedes Haus;
Folgte mit meinen Augen ihren blauen Kitteln,
Jener fleissigen Menschen ganz ohne Doktortiteln;
Wie sie Stahlgerüste mit einem Karren transportierten
Und Gerüst für Gerüst auf Halden und Haufen gruppierten,
Ähnlich wie bei uns vor vierzig Jahren,
Hier würde kein Arbeiter derweise in eine Schicht einfahren.
Und also öffnete ich das Fenster und streckte hinaus
meinen Kopf,
Und dachte dabei, ihre Industrie, nicht die Menschen an einen Tropf;'
Sie selber luckten sehr entspannt aus ihren Augen;
Diese Menschen würden fürwahr für anderes noch taugen,
Als Bürokratenhirnen zu gehorchen,
Jene als angebliche Sozialisten durch ihre Geschichte storchen.
"Sind sie auch von drieben?
Hat man sie ebenfalls vertrieben?
Und schließen sie bitte die Scheiben!
Ich möchte mit einer Erkältung im Abteil nicht verbleiben!"
Sprach es mich an von der Seite,
Ob auch ich einen Satz über das "Drieben" ausbreite;
Doch hielt ich mich mit meinem Munde geschlossen,
Gerade nämlich habe ich mich in die Deutschen von drüben verschossen.
Nun also reichen wir uns doch die Hand.
Habt ihr dies oder das schon gekannt?
Wir zeigen einander wie Kinder ihre Gaben,
Was die einen oder was die anderen wohl an sich haben:
Nun laßt uns schon ein Glas erheben,
Davon wird Europas Erdball gewiß nicht erbeben.
Zum Wohl, Herr Kohl!
Zum Wohle uns Deutschen unserer Geschichte;
Wir rechnen nach, in zwanzig Jahren historischem Lichte,
Und achten, daß wir niemanden verlieren,
Daß wir künftig ganz ohne Ausgrenzung in unsere gemeinsame Zukunft stieren.
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