Weihnachtsbrauch

Ein Gedicht von Michael Adamitzki
Lametta, Kugeln, goldne Herzen,
am Tannenbaum das brennen Kerzen.
Ganz oben auf der Baumesspitz,
da hat ein Engel seinen Sitz.
Hier hockt er stets zur Weihnachtszeit,
frisch gelockt im weißen Kleid.

Es ist ein ziemlich alter Brauch,
doch frag ich mich, weiß man es auch,
was dieser Kerl da oben macht
und dabei so verschämt noch lacht.
Sollt euch diese Frage quälen,
wohlan ich werd es euch erzählen.

Es lebte einst ein Weihnachtsmann,
die hundert sah ihm keiner an.
Er hörte auf den Namen Walter,
war ganz schön rüstig für sein Alter.
Stand abends nach des Tages Lauf,
mit seinem linken Fuß erst auf.

Die Werkstatt macht er auf, dann zu,
er stutzt – es fehlt die halbe Crew.
Die halbe Crew, das war schon klar,
die besten von der ganzen Schar.
Doch leider Gottes nur die Guten,
so wird man richtig hier vermuten.

Klar, dem Ersatz, man kann’s verstehen,
wollt nichts so recht von Händen gehen.
Drum motzt er laut, schimpft was das soll,
doch irgendwann – der Sack war voll.
Dann hörte man ihn böse bitten:
“Beladet endlich meinen Schlitten.“

Da sah er, dieses wurmt ihn mächtig,
zwei seiner Rentiere sind trächtig.
Drei andere bei seiner Seelen,
schon wieder unentschuldigt fehlen.
Obwohl er innerlich erregt,
hat er nicht lange überlegt.

Er schwang die Peitsche und fuhr an,
es war nicht einig das Gespann.
Ein Teil zog rechts, der andre links,
rums, mit dem Sack vom Schlitten ging’s.
Alle Päckchen, er musst heulen,
hatten Kratzer, hatten Beulen.

Dem Weihnachtsmann ging es jetzt mies,
verlangt nen Kaffee heiß und süß.
Doch weil es ihm so recht pressiert,
ist ihm der Lapsus wohl passiert.
Statt vorsichtig daran zu nippen,
verbrannte er sich seine Lippen.

Darauf erscholl ein lauter Schrei,
die Lieblingstasse ging entzwei.
Seine Frau die hört er toben:
“Ja soll ich dich vielleicht noch loben?
Jetzt nimm die Schaufel, nimm den Besen,
dann sind die Scherben mal gewesen.“

Nun fing sein Hund noch an zu bellen,
da hört er´s an der Pforte schellen.
Er öffnet wutentbrannt das Tor –
da steht ein Engelchen davor,
mit einem wunderschönen Baum,
fürwahr ein echter Weihnachtstraum.

Ein Stimmchen flüstert: “Weihnachtsmann,
ich bringe dir heut diese Tann´,
du findest sie bestimmt auch toll.
Sag mir wohin ich stecken soll?“
Ja weiter kam der Engel nicht,
weil da der Weihnachtsmann schon spricht.

Der Kerle war da nimmer fein,
er war da einfach hundsgemein.
Er sprach nen Satz und diesen barsch:
“Ach steck sie dir doch in den A....!“
Drum hat auf mancher Christbaumspitz,
ein kleiner Engel hat seinen Sitz.

Informationen zum Gedicht: Weihnachtsbrauch

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13.12.2010
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