Von der schönen Bäckerin

Ein Gedicht von Wolf-Rüdiger Guthmann
Eben kam sie mir in den Sinn,
die Mär von der schönen Bäckerin.
Fragt mich nur nicht wann und wo,
sonst werde ich nicht mehr froh.

Es war dereinst ein junges Weib,
das liebte Mehl als Kuchen und Laib.
Wenn nachts die andern schliefen,
sie die süßen und sauren Teige riefen.

Das hieß mit Kohle und Schieber schinden,
ein Geselle war nicht zu finden.
Sie tat es gern und mit viel Liebe
und unterdrückte ihre Triebe.

Eines Tages, wie ich mich besann,
begegnete sie dem richtigen Mann.
Er sah sie und sie sah ihn,
sie konnten der Liebe nicht entflieh’ n.

Und so kam, was oft sehr nett,
er landete in ihrem Bett.
Leider war die Nacht zu Ende,
als der Wecker rief behände.

Sie ging nach einem langen Kuss,
dorthin wo sie backen muss.
Er warf sein Motorrad an
und fuhr Richtung Heimat dann.

Nebelschwaden in dunkler Nacht,
noch ein Reh, dann hat‘ s gekracht.
Rutschend, schürfend mit Gewalt
ist er an den Baum geknallt.

Ich lag gegipst im Krankenhaus,
mein Zimmernachbar sah ähnlich aus.
Und das Schicksal wollte es wie immer
der neue Unfall kam in unser Zimmer.

Wir sollten ihn etwas bemuttern,
ihm helfen beim Trinken und Futtern.
Er war völlig hilflos und splitternackt
rundherum in Gips verpackt.

Viele Knochen waren gebrochen,
stabilisierend mit Schrauben durchstochen.
Nur sein Unterlaib war heil,
man sah es an dem besten Teil.

Und dann mit verheulten Augen kam
die schöne Bäckerin, ganz voller Scham.
Sie wusste kaum wo hinten und vorn
und bedeckte seinen eins‘ gen Sporn.

Doch nach drei Wochen Streicheln und Küssen
wollten beide die Liebe nicht missen.
Sie hat den Oberarzt gefragt,
der hat leise nur gesagt:

„Wenn die Sehnsucht der Herzen
größer ist, als die Schmerzen,
möchte ich nicht im Wege steh’ n,


Doch die Stationsschwester Erdmuthe
war eine erfahrene und liebe gute.
Sie riet ihr, „Frag die andern zwei,
machen die mit, bin ich dabei.“

Und so kam die Bäckerin, schön wie immer,
mit einem Kuchenpaket in unser Zimmer.
„Lasst ihr beide uns allein,
soll es nicht euer Schaden sein.

Jedes Mal bring ich euch zum Lohn
Schönen Kuchen, mal Obst, mal Mohn,
alles, was ihr gerne esst,
überlasst ihr uns ein Liebesnest.

Die Schwester empfiehlt, ihr nutzt die Zeit
und macht euch für die Nacht bereit.“
Unser „Ja“ erhellte ihr Gesicht.
Doch sein Waschen wurde ihre Pflicht.

Wir sind keine neidischen Spielverderber
und waren drei Wochen Kuchenerwerber.
Sie kam jeden Abend zur gleichen Zeit,
halb nackt in einem leichten Kleid.

Wir beide sind solange ins Bad geeilt,
haben uns Dusche und Toilette geteilt,
waren mit Körper und Zähnen beschäftigt
während die Liebenden sich entkräftigt.

Hat die schöne Fee uns wieder bemüht,
war sie wie eine rote Rose erblüht.
Ihren Freund konnte sie so animieren,
nicht den Lebensmut zu verlieren.

Wir bewunderten ihrer beider Liebeslust
und keiner von uns hatte dabei Frust.
Wir haben es nur sehr bedauert,
dass die Geschichte nicht länger gedauert.

Der junge Mann wurde nämlich verlegt,
die Eltern haben das bewegt.
Wir erfuhren weder Ort noch Nummer
und ersparten der Bäckerin jeden Kummer.

29.10.2014 © Wolf-Rüdiger Guthmann

Informationen zum Gedicht: Von der schönen Bäckerin

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18.11.2014
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