Vierzeiler, Wo ist die Michelangela?

Ein Gedicht von Christoph Hartlieb
….Wo ist die Michelangela,
die mich, den Marmorblock, behaut?
Ich wär so gern dem David gleich,
als Mensch und Mann perfekt gebaut.
….Ich tue das, ich tue dies –
ein Wesensmerkmal des Genies.
Doch merk ich auch, nicht erst seit heute,
ich bin des Wahnsinns fette Beute.
….Da sitz ich einsam im Gelände,
schau vor, zurück, geradeaus,
bedenke Anfang, Mitte, Ende.
Doch viel kommt dabei nicht heraus.
….Gern würd ich in die Zukunft blicken,
und sei´s auch ungenau und blass,
Folgt Aufbruch, Stillstand, Grau´n, Entzücken?
Andeutungsweise, irgendwas!
….Am Ende meines Lebens bin
ich stets dabei, Bilanz zu ziehn.
Wo liegt das Ziel? Was ist der Sinn?
Doch alle Antworten entfliehn.
….Gern ließ ich mich im Leben treiben.
Gern hab ich selbst das Boot gelenkt.
Doch eines wollt´ ich niemals: Bleiben.
Mein Aufenthalt war stets beschränkt.
….Nun leb ich von Erinnerungen
Und nicht, wie einstmals von der Tat.
Doch rühr ich gern, zum Teil gezwungen
In dem Erinnerungssalat.
Silesio

Informationen zum Gedicht: Vierzeiler, Wo ist die Michelangela?

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02.09.2021
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Christoph Hartlieb) für private Zwecke frei verwendet werden. Hier kommerzielle Anfrage stellen.
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