Raues Meer
Ein Gedicht von
Annelie Kelch
Raues Meer – das wellige
graue Haar eines alten Mannes,
der in beiden Weltkriegen kämpfte.
Schön und dunkel kommt nachts die Flut -
mit Lippen aus Schaum wie jener
vor den Nüstern kranker Pferde.
Der Strand macht Platz
und empfängt sie mit Würde.
Sie lässt alles zurück,
womit man ihr Wasser gedemütigt hat
und viele tote Fische.
Wir sammeln und sammeln:
Müll, Erfahrungen, Tugenden ...
Die Wellen spielen mit Plastikflaschen,
Fischernetzen und kleinen Korken.
Das Blut an den Scherben der Glasflaschen
und an unserer Haut fließt zurück ins Meer.
Meine Hand gräbt eine Kuhle
für den verwundeten Fuß.
Ich stelle ihn hinein und bedecke ihn
mit nassem Sand; nun darf er ruhn.
An weißen Burgen ringsumher und zuhauf
flattern bunte Fahnen: Bis hierher und nicht weiter -
oder wir schießen ...
Meine Seele geht ohne Gummiflügel baden
und ertrinkt in den tosenden Fluten.
Ich schwimme hinterdrein, um sie zu retten.
Den Sarg, darin ich nimmer liegen wollte,
könnt ihr euch sparen.
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