Neue Lebensvariante
Ein Gedicht von
Georg Babioch
Eine neue Lebensvariante:
Ich verbrachte meinen Urlaub mit Nichte und Tante,
Habe Kaffee getrunken, habe Kuchen gegessen
Und beinahe meine Arbeit zu Hause vergessen;
Beliebte leicht zu leben nach Mitternacht,
Beinahe hätte ich mich darum mit meiner Tante
verkracht,
Ließ Runde um Runde kreisen in jenem Lokal
Und wankte im Morgengrauen vorbei an einem Spital,
Erwachte des späten Morgens mit schwerem Kopfe,
Ich glaube sogar, mein Kopf hing am Tropfe,
So blutleer schon, noch Stunden danach
Lag ich im Koma, bewußtlos schon, kaum halb wach.
Meine neue Lebensvariante lag im Sterben,
Doch wollte und konnte ich es mit meiner Tante
nicht verderben;
Lachte ihr wieder zu in neuer Frische,
Schon wieder bat sie mich zum Mahl und zu Tische;
Schon lag ein Kloß in meinem Magen,
Was sollte ich der Tante über mein Befinden nur sagen,
Daß mir ihr Mahl wohl nicht geschmeckt?
Daß ich ob ihrer Klöße beinahe verreckt?
Doch raffte ich mich auf zu neuem Mute,
Schon begann es zu quellen, in meinen Adern, im Blute;
Und aufgesprungen vom Mittagstische
Verkroch ich mich sogleich in meiner Nische
An ihrem Schreibtisch, einen wackeren Sekretär.
Ich schlug die Tasten und mein Herz pochte schwer
Und bestimmten den Rhythmus jener Zeilen,
Ich begann die Strophen nach Reimen aufzuteilen,
Jenes Gesanges über meine neue Lebensvariante,
Eine Zeile über meine Nichte, eine andere über meine
Tante.
Endlich: das neue Werk wieder gelungen,
Beinahe die gesamte folgende Nacht habe ich mit jenen
Versreimen gerungen
Und zufrieden mit mir die Tasten wieder ruhen lassen,
Um diese bald wieder wegen neuer Versreime anzufassen,
Um Lieder über meine Verwandten zu singen,
Und mit ihr klammheimlich über Versreime zu ringen.
Eine weitere neue Lebensvariante ward bald auserkoren,
So haben Verse noch stets neues Leben geboren;
Ja Leben, Atmen, auch Dichter schnaufen,
Hoffentlich wird mein Leser auch diese Verse kaufen,
Um einige Verszeilen über Verwandte zu lesen,
Solcher Gedanken, bevor ich und diese verwesen.
So denkt der Dichter stets an die Zukunft seiner Zeit,
Daß er eingeht mit seinen Versen in eine Ewigkeit
Der Geschichte und der Literatur
Neuer Lebensvarianten und stets neuer Natur.
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