Mutters Leben
Niemals hätten wir gedacht,
dass Mutter uns zu Waisen macht.
Immer war sie für uns da,
war selbst unseren Tränen nah.
Als junge Frau hat sie betört
und war ledig sehr begehrt.
Nicht nur wegen der Figur,
sie war auch eine Frohnatur.
Mit Tanzen, Sport und Spielen
ward geliebt sie von so vielen.
Dann zog außer ihrem Mann
sie auch noch drei Kinder an.
Kochen, backen, waschen, bügeln,
eigne Hobbies sehr stark zügeln.
Die Familie war der Grund,
Hauptsache, sie war gesund.
Ein Leben lang ist sie gerannt,
hat Arbeitnehmer sich genannt.
Irgendwann war damit Schluss,
weil es Rentner geben muss.
Jeder sagte nur, Gott sei Dank,
jetzt hat sie Zeit ein Leben lang.
Die ersten Jahre war sie dabei
aktiv in jeder Gruppe und Partei.
Zu Hobbies, die sie sich vorgenommen,
ist sie anfangs nicht gekommen.
Es mussten erst die Knochen knacken
und die inneren Organe zwacken.
Nicht aus Spaß ihr Doktor rief,
in die Freizeit geht es sehr tief.
Masseure wollten an ihr verdienen,
Orthopäden ihre Knochen schienen.
Der Zahnarzt ward ihr lieb und teuer,
er machte die weißen Beißer neuer.
Der Apotheker pries oft ihren Scherz
und verkaufte ihr dann Doppelherz.
Und die Maniküre für die Fingernägel
unterschied uns von manchem Flegel.
Die Fußpflege war ihr äußerst wichtig,
denn sonst läuft man niemals richtig.
In den typischen Rentnerkaffeestunden
ließ sie sich auch ein Bierchen munden.
Dabei wird auf deren Wohl getrunken,
die schon auf dem Friedhof versunken.
Sie führte nun noch ihr eignes Leben,
und den Enkeln galt ihr ganzes Streben.
Und in diesen letzten vier Wänden
musste sie friedlich für immer enden.
Jetzt stehe ich an ihrem Grab,
und in der Hand ich ihr Foto hab.
Ich sehe der Mutter ins Gesicht
und dankbar eine Träne bricht.
02.09.2017 © W.R.Guthmann
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