Manchmal ist sie im Selbst verloren
Manchmal ist sie im Selbst verloren
Da haben wir uns sehr gefreut,
Als sie gesund von der Reise zurück,
Erzählte von Kultur, von Land und Leut',
In ihren Augen wohl ihr ganzes Glück.
Sie schwärmt' von der Gastgebertugend,
Das hat nachdenklich uns bemacht.
War's nicht einst Naivität der Jugend,
Wenn Erlebtes als Ideal dargebracht?
„Würdet Ihr Fremde zum Tee ins Haus bitten,
Wie ich das erlebte im bitterarmen Slum?“
Sie blieb fasziniert, das war unbestritten:
Die Einladung galt ihr! – ohne Tamtam.
Doch manchmal ist sie im Selbst verloren,
Denn sie unterstellt der ganzen Welt Humanität.
Sind alle Menschen überall frei geboren,
Auch in der Slumwelt – ohne Mord, Morbidität?
Hat man nicht zwei ihrer Kolleginnen entführt
Und diese Idealistinnen ganz einfach umgebracht,
Weil keinem Lächeln automatisch ein Freibrief gebührt,
Wo das Unmenschliche immer und überall erwacht?
©Hans Hartmut Karg
2023
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