Kränkung
Ein Gedicht von
Roman Tieck
Kränkungen zu ertragen
gehört zum Schwersten im Leben.
Dem eigenen Stolz zu entsagen,
gezwungen sein, zuzugeben,
dass das redliche Trachten,
danach, dass die andern dich achten,
umsonst war und kläglich versagt
hat, ist äußerst bitter. Es nagt
an dir. Als Stachel steckt
im Fleisch es. Aufgedeckt
wähnst du deine Schande. Verletzt
in der Ehre, denkst du entsetzt,
dass du dein Gesicht
verloren hast, und glaubst nicht
erhobenen Hauptes mehr gehen
zu können. Dir bleibt nur zu flehen,
um jene Selbstsicherheit,
die die Kraft dir verleiht,
die Erniedrigung wegzustecken,
nicht schamhaft dich zu verstecken,
sondern an dich zu glauben.
Denn nichts vermag dir zu rauben
die Menschenwürde, die
du besitzt und nie
verlierst. Sie bleibt stets bestehen,
berechtigt dich, aufrecht zu stehen
auch in vermeintlicher Schande.
Und so bist du im Stande,
dich wieder aufzurichten.
neuen Mut zu fassen
und dich von der Kränkung mitnichten
seelisch vernichten zu lassen.
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