König Drosselbart
Ein Gedicht von
Jürgen Wagner
So eingebildet war sie, stolz und schön
Und fragte wer: "magst mit mir geh'n?"
Prinzessin wies ihn sogleich ab
und spottete - das nicht zu knapp!
Der eine war ihr viel zu dick:
"Du Weinfass geh mir aus dem Blick!"
Ein and'rer war ihr viel zu lang:
"So lang und schwank hat keinen Gang!"
Da kam ein Mann mit hohem Sinn,
ein König, bärtig, spitz das Kinn,
der liebte sie und sprach ganz zart -
Sie höhnte: „König Drosselbart!“
Ihr Vater war nun voller Grimm:
„Genug gespottet! Ich bestimm:
der nächste Bettler, der da kommt,
wird nun dein Mann, ganz prompt!“
Gesagt, getan. Ein Spielmann kam,
der sie sogleich zur Gattin nahm
Zu Fuß zog sie mit ihm durchs Land
gehüllt in Lumpen und in Schand'
Wohin sie kam, tönte es gleich:
„Das hier ist Drosselbartes Reich!"
"Ach hätt' ich nur den Mann genommen!
Ich werd' ihn nicht zurückbekommen!"
Sie zog zum Mann ins kleine Haus
Die Hausarbeit war ihr ein Graus
Er gab ihr Töpfe für den Markt,
die bot sie feil, verdiente karg
Da galoppierte ein Husar,
betrunken, wie er nun mal war,
ritt gradewegs durch ihr Geschirr,
Sie weinte laut und wurd' fast irr
Ihr Mann entschied: „Geh hin zum Koch!
Im Schloss gibt's Arbeit immer noch
Der König feiert da ein Fest,
zu dem er ganz fein kochen lässt!“
Am großen Tag stand sie versonnen
Ihr Stolz war weg, ihr Glück zerronnen
Der König, ganz in Samt und Seide,
kam auf sie zu in ihrem Leide
und sprach ganz freundlich: "Fürcht' dich nicht!
Ich bin es doch, der zu dir spricht!
Ich war der Spielmann, der Husar,
der Mann, der immer bei dir war!
Ich wollte deinen Sinn umkehren
und dich gewinnen, dich was lehren
Ich hab dich so geliebt, verehrt:
war das denn falsch, war es verkehrt?"
Da weinte sie und sprach: es stimmt!
"Verzeiht mir, König, ich war blind!"
Der sprach: "Vorbei ist nun die böse Zeit!
Nun wird gefeiert: die Hochzeit!"
Nach Brüder Grimm, KHM 52
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