Ein Lebenslauf

Ein Gedicht von Hans Hartmut Dr. Karg
Ein Lebenslauf

©Hans Hartmut Karg
2017

Der Vater kam noch einmal heim,
Nachdem die Kugel ihn verwundet.
Er wollte bleiben, glücklich sein,
Hat allen Zuneigung bekundet.

Wahn lässt die Guten nie allein,
Wenn der Despot den Kriegsgang will.
So kann der Mensch nicht selig sein:
Alles Bedrohung, nichts ist Spiel!

Deshalb zog man ihn wieder ein,
Nach Danzig und kurz vor dem Ende.
Dort sollte Hitlers Held er sein
Für eine späte Siegeswende.

Da fiel er und kam nicht mehr heim,
Die Ehefrau stand nun allein
Mit Kindern, die noch viel zu klein –
Und niemand konnte Hilfe sein.

Die Kriegerwitwe aber kämpfte,
Zog mutig ihre Kleinen groß,
Damit das Fatum sie nicht dämpfte
Und sie trieb in ein Armenlos.

Sie putzte und verdingte sich,
Die Kinder lernten immer viel.
So mauserte der Jüngste sich
Zum Türverkäufer mit Gefühl.

Die Kinder wurden alle gut,
Gedachten an den toten Vater.
Sie lernten und mit Lebensmut
War Mutter ihnen oft Berater.

Und neuzehnhundertfünfundfünfzig
(Wer weiß das von den Jungen noch!)
Kamen sie hin nach Gürzenich:
Befreit vom Krieg und schlimmem Joch.

Gefangene aus Russland kamen
Bis Friedland – und zurück ins Land!
Der Adenauer schuf den Rahmen,
Weil er zur Menschenwürde stand.

Der ledige Bruder unseres Toten
Kam her ins Kriegerwitwenhaus.
Er war fein, konnte Wälder roden,
Er schreinerte und baute aus.

So kam es schließlich gar zur Hochzeit,
Die manche Dörfler arg beäugten.
Nun endete das lange Leid,
Weil sie das Glück offen bezeugten.

Da war nichts Zweck und nichts Bedenken,
Das Herz gewonnen hatten sich
Die Beiden, konnten Liebe schenken
Und ausmerzen den Schicksalsstich.

Der Jüngste sagte überzeugend,
Dass er 'nen zweiten Vater hatte,
Der gut zu ihm, sich zu ihm beugend
Ihn trotzdem packte nicht in Watte.

Vorbildlich, fleißig, immer treu
Ward dieser Vater anerkannt.
Der Lebenslauf war nun wie neu,
Das alles ging gut von der Hand.

So musste sich am End' nichts trüben,
Groß blieben elterliche Herzen.
Nur jene, die auch wirklich lieben,
Können Schläge gut verschmerzen.

*

Informationen zum Gedicht: Ein Lebenslauf

156 mal gelesen
29.06.2017
Das Gedicht darf nur mit einer Erlaubnis des Autoren kopiert oder veröffentlicht werden. Jetzt Anfrage stellen.
Anzeige