Die Einsamen

Ein Gedicht von Ralph Bruse
Die Einsamen


Abends - meist zu später Stunde
geht er müde für sich hin;
taumelt einsam seine Runde,
ohne Ziel und ohne Sinn.

Nur dort, am Haus der Malerin
bleibt er öfter stehen,
blickt versonnen zu ihr hin,
wenn kalt die Winde wehen.

Warum sieht er sie niemals malen?
Sie sitzt nur träumend da.
Leidet sie dort etwa Qualen:
all ihren Bildern nah?

Er sieht auch niemals ihr Gesicht...
Mit Basthut hockt sie stumm
im Korbstuhl bei gedämpftem Licht
und schaut sich keinmal um.

So geht er weiter seine Runde;
wagt nicht, ein Wort zu sagen;
bleibt später wach so manche Stunde,
den Kopf gefüllt mit Fragen.

Heut´ abend war er wieder dort.
Fand sie jedoch nicht mehr.
Auch alle Bilder waren fort.
Ihr kleines Zimmer: trostlos leer.

Er sucht sie in der großen Stadt
in Nächten und bei Tag.
Bald ahnend, daß sie lebensmatt
wohl längst begraben lag...

2.
Es war in jenem Januar,
zu dustrer, bitterkalter Zeit...
Bedeckt von Reif das krause Haar
streckt er die Arme weit.

Er saß in frisch gefall´nem Schnee
auf einem kahlen, weiten Feld;
blickte hinauf, in klarste Höh
und nicht auf seine Welt...

Da! - jene stumme Malerin
sah er am Feldrand sitzen...
Sie winkte lächelnd nebenhin
aus hunderten von Blitzen -
bis er sie endgültig verlor
und aus tiefster Seele klagt:
> Hätte ich nur ein Wort gesagt! <


(c) Ralph Bruse

Informationen zum Gedicht: Die Einsamen

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28.01.2023
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