Der Kuss
Ein Gedicht von
Roman Tieck
Ahnst du denn, wie sehr du mich beglückst
wenn du deinen Mund auf meinen drückst
und Labsal ich von deinen Lippen trinke,
so dass voll Inbrunst ich in dir versinke?
Dann bade ich in purer Seligkeit.
Losgelöst von Schwere, Raum und Zeit
bin ich wie betäubt, der Welt entrückt
und schließe meine Augen, um verzückt
mich ganz der prickelnden Wonne hinzugeben,
die mit tiefem, wohligem Erbeben
mich durchschauert, da ich zart berühre,
die Weichheit deiner Lippen und nichts spüre
als einzig den Genuss, den es bereitet,
wenn meine Schleimhaut über deine gleitet,
sie erfühlt und sanft sich daran reibt,
den Sinnestaumel auf die Spitze treibt,
die Nervenfasern wie elektrisiert
vibrieren und mein Blut erregt pulsiert,
mein Denken stockt und eines nur enthüllt:
dass Liebe zu dir mich ganz und gar erfüllt.
(aus "Innig zart und selbstverloren", ISBN 9783755796435)
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