Das wendige Pfäfflein

Ein Gedicht von Thomas Fricke
1

Es war ein Pfäfflein, blass und klein,
Das lebte an der Küste
Und wollte gern was Großes sein,
Es hatte Machtgelüste.

Da rief es an ein Schlapphutmann
Und fragte, ob Zeit es habe.
Das Pfäfflein sagte: „Ja, ich kann,
Wenn Sie eine hohe Charge.“

Als Schlapphut kam, sprach’s Pfäfflein zu ihm:
„Herr Hauptmann, wie ich mich freue,
Ein hoher Dienstgrad ganz intim
In meiner bescheidnen Pfarreie.“

Der Schlapphut hat sodann gefragt,
Wie’s war auf dem Kirchentage.
Da hat das Pfäfflein nicht gezagt,
Gab Antwort auf jede Frage.

Besonders lobte es den Dialog
Der Christen mit den Marxisten,
Nur hab gefehlt der Chefideolog,
Den Reinhold sie vermissten.

Der Schlapphut dankte dem Pfäfflein sehr,
Tat ihm manch Gunst erweisen,
So durft’ es beispielsweis nunmehr
Erneut in den Westen reisen.

Das Pfäfflein, außer sich vor Freud,
Tat sich nun ganz entfalten,
Es bat den Schlapphut, nun ab heut
Kontakt mit ihm zu halten.

2

Der Schlapphut notierte in die Akte:
„Der Mann ist Kandidat,
Ich hab zu ihm ein gut Verhältnis,
Auch dient er gern dem Staat.“

Doch plötzlich kam im Herbst die Wende,
Das Pfäfflein war in Not:
„Ich hab gesetzt auf die ganz Falschen,
Zum Teufel, sapperlot!“

„Was steht denn bloß in meinen Akten?
Ich glaub, ich bin verlorn!“
Doch witterte bald es neue Chancen
Und war wie neugeborn.

Auf Podien schwang es kühne Reden,
War gänzlich bürgerbewegt,
Es spielte den Musterdemokraten
Und hat die Roten geschmäht.

Dann ging’s in die Rostocker Sammlung,
War ganz allein im Raum
Und stundenlang konnt es in Ruhe
Die Akten durch nun schaun.

Die Blätter, die es kompromittierten,
Die steckte nicht es ein,
Es stellte keinesfalls so selber
Sich aus den Reinheitsschein.

Und das ist wahr, weil doch so ehrlich
Das Pfäfflein allezeit.
Wer Böses dabei denkt und kichert,
Der ist ja nicht gescheit.

3

Erhalten blieb das Dokument,
Wo man mit Dank das Pfäfflein nennt,
Das Protokoll von dem Besuche,
Dem Pfäfflein stand’s fatal zu Buche.

Dann druckte es auch noch Die Welt,
Man sah: das Pfäfflein war kein Held.
Ein jeder konnt das Gespräch nun lesen,
Mit Schlapphut, der bei ihm gewesen.

Da stand ihm auf der Stirn der Schweiß
Und rann auf’m Rücken bis zum Steiß.
Doch seltsam, um das Pfäfflein zu retten,
Relativierten die meisten Gazetten.

Dies hatte nun darin seinen Grund,
Dass es als Chef der Behörde vorstund,
Die mehr verdunkelt als aufzuklären,
Da wollt’ das Pfäfflein man nicht entbehren.

Es war nun wieder sorgenfrei
Und jetzt mit noch mehr Eifer dabei.
So stellte es, was kaum zu fassen,
Schlapphüte ein zum Berichte verfassen,

Wie Akten zu bewerten sind,
Und hoffte, dass man so was find’
Von unbequemen Ost-Personen,
Zur Not durch Manipulationen.

Das Pfäfflein sitzt im Satt’l wie nie
Und singt: „Sweet dream of liberty,
Ich bin der größte Demokrate
In diesem wunderbaren Staate.“


Veröffentlicht in meinem Buch "Deutsche Lakaien und Vasallen. Satiren", erhältlich bei Amazon.de.

Informationen zum Gedicht: Das wendige Pfäfflein

106 mal gelesen
27.06.2024
Das Gedicht darf nur mit einer Erlaubnis des Autoren kopiert oder veröffentlicht werden. Jetzt Anfrage stellen.
Anzeige