Das Schweigen der Glocke
Ein Gedicht von
Kellerkind
Sie, die jahrhundertlang vom hohen Turm geklungen,
mit erzner Stimme hatte Gottes Lob gesungen,
sie schwieg. Sie schwieg in Trauer und in Bangen.
Die Menschen waren wieder vom Altar gegangen,
wo sie des Herren heilgen Leib und Blut empfangen.
Sie schwieg, gedenkend an dies letzte Abendmahl
als Er vorweggenommen Sühneopfer, Angst und Qual
und war getreten in die Nacht hinaus aus jenem Saal.
Sie schwieg. Sie schwieg so tief, dass sie vergessen gar,
dass sie des Münsters größte Bronzeglocke war,
und nur dies tiefe Schweigen brachte sie dem Herren dar.
Sie schwieg. Hin ging die dritte Nacht und dann
rührt unversehens sie der schwere Klöppel an
und aus dem tiefen Schweigen steigt empor ein Klang
wie aus der ersten Osterzeugin Herz, so bang.
Und voller wird mit jedem Schlag der Ton;
aufbraust im hohen Kirchenschiffe schon
der Osterjubel: Aus des bittren Todes Nacht
hat Jesus Christ das Leben wiederbracht!
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