Das Mahnmal
Ein Gedicht von
Anouk Ferez
Mein Hoffen ließ mich endlich steigen
von des Heimatmeeres Grund.
Mein Lied verstummte und ein Schweigen
legte schützend sich auf meinen Mund.
Mit jedem Meter schloss sich eisern
um meine Brust ein kalter Ring
und meinen Leib zerfraß ein Schmerz der
mir heiß durch alle Glieder ging.
Ein Schrei gefasst in tausend Blasen,
die tänzelnd sich durchs tiefe Blau
als stumme Zeugen aufwärts zogen,
entrang sich mir – ich wurd zur Frau.
Ich wand mich selig, alle Qualen
erschienen mir als fairer Preis:
Mein Fischschwanz barst und aus den Teilen
entstanden Beine, schlank und weiß.
Mein altes Leben fern der Lüfte,
ich tat es ab wie einen Traum,
lobpreiste Strand und Meer und Sonne
als ich entstiegen Gischt und Schaum.
Und als ich saß im Kreis der Winde,
mit tausend Schauern auf der Haut,
erwuchs in mir die Lust zu küssen,
als ich von Ferne IHN geschaut.
Es hallte warnend noch die Stimme
Poseidons tief in meinem Ohr.
Er rief: „Du darfst fortan nicht lieben,
mein Kind, sieh dich vor Menschen vor!“
Doch als der Tag ihn überströmte
mit seiner gold’nen Lichterflut,
vergaß ich jegliche Besinnung,
zu heiß war die entfachte Glut.
Als schließlich über meinen Fels er
sich beugte, versuchte ich voll Pein
von seinen Lippen Kraft zu trinken,
doch mich beherrschte schon der Stein.
Ich atmete durch seine Lippen,
als an mein Herz ich griff
– es nützte nichts, durch mein Vergehen
wurd schließlich ich ein Teil vom Riff.
Dort könnt ihr mich noch immer sehen,
ein schmales Mädchen ganz aus Stein:
Ich muss für alle Zeiten leblos
dort oben euch ein Mahnmal sein.
© Anouk Ferez 2015
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