Beinahe ein Weihnachtslied

Ein Gedicht von Wolf-Rüdiger Guthmann
Im Mastkorb ein Matrose schlurfte,
weil das Schiff nicht in den Hafen durfte.
Der Käpt’n über Sprechfunk hörte,
was den Matrosen so betörte:
Am Himmel steht ein Goldner Stern,
er zieht mich an aus großer Fern.
Ich will hier raus, ich will nach Haus.
Ich will mich um den Christbaum drehen,
Jesus in der Krippe sehen.

Im Knast ein Mann am Gitter sang,
den ein Richter in die Zelle zwang.
Der ganze Bau war plötzlich still,
weil alles ihn doch hören will:
Am Himmel steht ein Goldner Stern,
er zieht mich an aus großer Fern.
Ich will hier raus, ich will nach Haus.
Ich will mich um den Christbaum drehen,
Jesus in der Krippe sehen.

Im Krankenhaus, im Gipsbettverband
starrten zwei Augen, die unbekannt.
Und aus dem tiefsten Untergrund
knurrte es leise auch ohne Mund:
Am Himmel steht ein Goldner Stern,
er zieht mich an aus großer Fern.
Ich will hier raus, ich will nach Haus.
Ich will mich um den Christbaum drehen,
Jesus in der Krippe sehen.

Den Reichen reicht nicht wo man wohnt,
ihr Wunschzettel zieht sie zum Mond.
Doch Heiligabend spielt ihr Satellit
auch ohne Wunsch das Sehnsuchtslied:
Am Himmel steht ein Goldner Stern,
er zieht mich an aus großer Fern.
Ich will hier raus, ich will nach Haus.
Ich will mich um den Christbaum drehen,
Jesus in der Krippe sehen.

Des Nachts in einem fremden Land,
ein UNO-Soldat auf Wache stand.
Ein Goldner Stern hat ihn beflügelt
und so sang er ungezügelt:
Am Himmel steht ein Goldner Stern,
er zieht mich an aus großer Fern.
Ich will hier raus, ich will nach Haus.
Ich will mich um den Christbaum drehen,
Jesus in der Krippe sehen.

13.12.2021©Wolf-Rüdiger Guthmann
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Informationen zum Gedicht: Beinahe ein Weihnachtslied

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24.12.2021
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Wolf-Rüdiger Guthmann) für private Zwecke frei verwendet werden. Hier kommerzielle Anfrage stellen.
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