Zeitvertreib
Damals, als Adenauer gestorben,
habe ich mich als Azubi beworben.
Viel Holz wächst hier auf Erden,
drum wollte ich Tischler werden.
Buche, Birke, Fichte, Kiefernduft,
harzendes Kien erfüllt die Luft.
Der Meister war aus uraltem Holz
und auf seine Innung stolz.
Damit der Morgen nicht den Abend lobe,
stellte er mich lächelnd auf die Probe:
„Berechnen Sie einfach den Rauminhalt
dieser Zündholzschachtel, aber bald!“
Ich blickte längs, ich blickte quer,
diagonal war es genauso schwer.
Beinahe hätt ich es vergessen,
wichtig ist es, erst zu messen.
Entreiße ich nun auf die Schnelle
des Meisters Frau die Schneiderelle?
Oder wird von Heiden und Frommen
der alte Zollstock noch genommen?
Ich kann doch jetzt nicht laufen
und ein Rollbandmaß mir kaufen.
Doch an meines Taschenkalenders Rand
sich eine Zentimetereinteilung befand.
Länge 5, Breite 4 gemessen
und die Höhe 1,5 nicht vergessen.
Soll ich die Zahlen untereinander klieren
und dann alle drei addieren?
Ich ahnte, dass man dann und wann
die Werte auch multiplizieren kann.
Länge mal Breite als Fläche geht
und mal Höhe ein Raum entsteht.
Die Schachtel war zwar einst ein Baum,
aber ist sie deswegen jetzt ein Raum?
Wie ein Würfel hat sie 8 Ecken,
deren Kanten sich in die Länge recken.
Aber die Höhe von dem Schub
ist doch nur ein kurzer Hub.
Soll ich mir die Haare raufen,
gleich zu einem Schlosser laufen?
Dort gibt es für dieses Gemehre
doch die berühmte Schiebelehre.
5 mal 4 rechne ich im Geist,
doch mal 1,5 sich für den Rechenschieber erweist.
Der Meister wird mich loben, das weiß ich,
drum sage ich stolz: „Genau Dreißig!“
„Dreißig Minuten Späne oder Spaß zur Zeit,
jedes Ding hat seine Maßeinheit?“
Will er das Rechnen mir verübeln,
denn jetzt bringt er mich ins Grübeln.
5 Zentimeter mal 4 Zentimeter zum Ergebnis hat
20 Zentimeter zum Quadrat.
Und 20 Quadratzentimeter mal 1,5 Zentimeter,
verflixt, jetzt hab ich den Schwarzen Peter.
Ist die Schachtel nun hochkant gestellt,
laut Rechenschieber der Wert auf 300 schnellt?
„Hochkant ist doch keine Fläche“
Ich so zu mir selber spreche.
Der Meister hört‘ s und lächelt still:
„Er weiß nicht alles, doch er will.“
29.10.2014 © Wolf-Rüdiger Guthmann