Kühlhaus und Räucherkammer

Ein Gedicht von Wolf-Rüdiger Guthmann
In alten abgegriffenen Büchern las ich eben
Gedichte des Hoffmann von Fallersleben.
Er beschrieb dort ein Schlachtefest, samt Durst
und nannte es Wurst wider Durst
Hier, wo mein Poetenschemel steht,
sich oft genug der Fleischwolf dreht.

Was mit dem Tier vorher passiert,
nur die Tierschützer interessiert.
Wer möchte denn gerne wissen,
was beim Schwein man kann vermissen.
Ich will nicht darüber schreiben,
darum lass ich es auch besser bleiben.

Liegt das Schwein dann auf dem Tisch,
dass man nicht weiß, ist‘ s Fleisch, ist‘ s Fisch,
rücken plötzlich alle näher ran ,
jetzt fängt die echte Schlachtung an.
Aber halt, sitzt bitte ruhig alle,
das Messer beschädigt sonst die Galle.

Der Hausherr lässt die Flasche winken,
nun will der Schlachter einen trinken.
Sein Trinkspruch zu der Arbeit passt,
doch ich habe ihn nicht erfasst.
Der Fleischwolf dreht, Gewürze riechen,
sich kringelnd lange Würste kriechen.

Der Pfeffer in der Nase quillt,
der Hausherr unser Schnapsglas füllt.
Im Raum wird rot, wer sonst ein blasser,
denn die Hitze kommt vom kochend Wasser.
Zwei Kessel fassen doch zugleich,
einmal Wurst und einmal Fleisch.

Das bedeutet für uns, gut führen
und auch mal eine Stunde Brühe rühren.
Irgendwann, mit viel Brot und Alkohol
schmeckte uns dann ein Eisbein wohl.
Die Nachbarin sich Schweineschnauze, nahm,
die zuhause in den Eintopf kam.

Ich bettelte um ein Stück Lunge
und bekam zum Schluss die Zunge.
Ist dort die Haut leicht abgezogen,
kommt wahrer Genuss geflogen.
Im Supermarkt man Schwein und Rind
meist nur aus Schottland find.

Deshalb musste ich englisch studieren,
um mit den Zungen zu kommunizieren.
Der Hausherr ist umher geeilt
und hat die Flaschen stets geteilt.
Die Frauen kochten, schnitten, teilten,
mit frischen Hackepeterbrötchen eilten.

Statt Alkohol bekamen sie nen Kuss,
für sie war das ein fetter Genuss.
Das Schwein wirkte kerngesund,
anders der Schnaps in unserm Mund.
Wir redeten, tranken und sangen nett,
und landeten irgendwann im Bett.

Am nächsten Tag mit dickem Kopf
und mit einem Wurstbrühetopf,
den Obulus fest in der Hand,
jeder wieder in der Küche stand.
Nun wurde Fleisch geteilt und Brühe gefüllt,
damit der Appetit und Bedarf gestillt.

Wir haben getrunken und gegessen
und beinahe das Wichtigste vergessen.
Was jedes Fleischers Spezialität,
weil es ihm besonders gut gerät,
hängt nun als gefragter Verkaufshammer
im Kühlhaus und in der Räucherkammer.

09.11.2016 © W.R.Guthmann

Informationen zum Gedicht: Kühlhaus und Räucherkammer

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09.11.2016
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