Die Zeugnisse

Ein Gedicht von Wolf-Rüdiger Guthmann
Die Sonne scheint, der Dichter schwitzt,
weil er heut nicht im Schatten sitzt.
Den Schatten gibt‘ s nur um das Eck,
hinterm Haus wie ein Versteck.
Doch heute, so muss er gestehen,
will er mal die Straße sehen.

Denn gleich ist mit der Schule Schluss
und die Rasselbande bringt der Bus.
Letzter Schultag in der alten Klasse,
dann verteilt sich doch die Schülermasse.
Nicht nur Klassen werden versetzt,
auch die Schule wechselt jetzt.

Viele Eltern glauben, ihre Kinder
wären Genies und bald Erfinder.
Sie sollen drum die Schule wählen
und sich mit hoher Bildung quälen.
Fremde Sprachen, samt Matheproblemen,
Kernphysik und Statistikthemen.

Lesen, Hören, selber reden,
regelmäßig trifft es jeden.
Reden, Vorträge, Berichte,
Übersetzungen und auch Gedichte.
Manchmal möchte ich Schüler sein
und ein andres Mal ein Mäuschen, klein.

Aber heute ist der Tag der Wahrheit,
denn das Zeugnis schafft erst Klarheit.
Der Dichter denkt an seine alten Zeiten,
die nun erst Freuden ihm bereiten.
Dabei war ihm die Schule ein Graus,
oft genug wollte er wieder nach Haus.


Kaum gedacht, geschieht es schon,
der Schulbus bringt Tochter und Sohn.
Alle strahlen schon von weiten,
wollen die Giftblätter gleich ausbreiten.
Der Dichter kriegt nen schnellen Kuss,
er versprach für Einsen einen Obolus.

Die Sonne scheint, der Dichter schwitzt,
obwohl alles nun im Schatten sitzt.
Die Einsen werden mehrmals gezählt,
damit auch ja nicht eine fehlt.
Den Dichter freut‘ s, er seufzt zum Schein:
„Ein guter Schüler müsste man sein!“

18.07.2017 © W.R.Guthmann

Informationen zum Gedicht: Die Zeugnisse

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18.07.2017
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