Die fremde Flaschenpost

Als Kind am schönen Donaustrand,
am Dreieck zwischen Donau und Inn,
ich eine fremde Flaschenpost fand
mit sauber geschriebenem Brief darin.

Ein Mädel aus bayrischen Bergen,
dort bei den symbolischen Zwergen,
war als Tourist in Regensburg gewesen,
konnte ich dort in Schönschrift lesen.

Sie hoffe, dass der Gott der Meere,
Poseidon, auch ihre Bitte erhöre.
Sie arbeite täglich, so viel sie kann,
doch fehle ihr ein erträglicher Mann.

Sie hoffe nun, dass dieser Brief
unverletzt in der Flasche schlief,
bis er das große Meer erreicht
und dort Poseidons Herz erweicht.

Auf zwei Seiten erfuhr ich Geschichten,
die konnte man sich nicht erdichten.
Drum nahm ich ein weiteres Blatt Papier
und schrieb grüßend meine Anschrift ihr.

Alle Zettel kamen in die Flasche rein,
die ich dann wieder verkorkte fein
und warf sie in den Donaufluss
damit sie abwärts schwimmen muss.

Ich wünschte eine gute Reise ihr
und der Absenderin einen Kavalier.
Das war vor vielen, vielen Jahren,
jetzt habe ich wieder von ihr erfahren.

Sie war noch drei Mal gestrandet,
bei freundlichen Leuten gelandet.
Auch die schrieben ein paar Zeilen
und ließen sie im Wasser weiter eilen.

Bei Hochwasser wurde sie gehoben
und weit aufs flache Land geschoben.
Das Wasser ging, die Flasche lag,
manches Jahr und manchen Tag.

Kräuter wuchsen und auch Bäume,
begruben eines Mädchens Träume.
Bis im Dezember deutsche Touristen
einen Weihnachtsbaum vermissten.

Ohne Säge buddelten sie im Wald,
zerrten einen Baum mit roher Gewalt.
Er sträubte sich, es flog der Sand,
bis einer diese Flasche fand.

Gestaunt, gerätselt und entkorkt,
der Inhalt für Überraschung sorgt.
Vor sechzig Jahren war es dann,
dass diese Postreise begann.

Sie rieten hin, sie rieten her,
ihre Entscheidung fiel nicht schwer.
Flaschenpost wurde wieder das Original,
Kopien eilten an alle Adressen einmal.

So erfuhr ich endlich die Geschichte
und euch nun schnell davon berichte,
weil ich hoffe, dass Poseidon irgendwann
die Flasche tauscht gegen einen Mann.

16.03.2015 © Wolf-Rüdiger Guthmann