Der Spieler der Königin
Mein Kollege ist ein ruhiger Patron,
ich kenne ihn seit Jahren schon.
Doch heute war ich ganz erstaunt,
denn er hat einmal nicht posaunt.
Sonst hör ich bei jedem Vergnügen
seinen Versuch, Rohre zu biegen.
Heute brauchte er mich für eine Frau,
er sprach von einer „Königin“, genau.
Ich dachte erst, er treibe mit mir Spiel,
ein Gotteshaus war dann das Ziel.
Die Außentür in den Angeln knarrte,
bevor mein Kopf ins Dunkle starrte.
Dumpfe Kälte schlug uns entgegen,
erinnerte daran, die Mütze abzulegen.
Eine weitere schmale Tür ging auf,
wies den Weg zur Empore hinauf.
Hölzerne Treppe, ächzende Stufen,
bröckelnder Putz, die nach Hilfe rufen.
Eine Treppe ging es nur nach oben,
während Holz und Käfer stoben.
Und dann sah ich ihre Majestät,
ziemlich alt, doch nicht zu spät.
Unten ging sie etwas in die Breite,
mit vielen Mustern an der Seite.
Hinten konnte man sie lüften,
und es roch nach alten Düften.
Aber oben, wie so ein Dirndlkleid
wurde sie füllig, offen und weit.
Der Schmuck, silberne Stangen,
wirkte bürokratisch gehangen.
Mein Freund entzog ihr die Schürze
und fummelte da in längerer Kürze.
Dann setzte er sich vor die Süße
und trat ihr beidbeinig auf die Füße.
Drauf gab die königliche Majestät,
die in Wahrheit nur ein Musikgerät,
einen leisen resoluten Ton von sich,
der lange durch die Kirche strich.
Und dann folgten die nächsten Töne,
an der Orgel, so heißt die Schöne.
15.08.2013 © Wolf-Rüdiger Guthmann