Denk an deine Mutter
Einst kam mein Sohnemann zu mir
mit einem rosa Briefpapier.
Dort stand in schönster Schrift geschrieben,
seine Freundin wollte ihn gern lieben:
„Ich liebe dir, ich liebe dich!
Wie’ s richtig heißt, das weiß ich nicht.
Wir küssen uns schon eine Weile
doch du hast zum Fortschritt keine Eile.
Mit Mühe konnte ich dich dazu bringen,
mir den BH mal abzuringen.
Du küsst vom Kopf bis zu den Zehen,
doch mehr ist noch nicht geschehen.
Neulich waren wir bald soweit,
ich machte mich für alles bereit.
Ich hoffte da, du packst jetzt zu
und raubst mir kräftig meine Ruh.
Doch du, du dachtest auf der Liege,
dass ich von dir ein Kind gleich kriege.
Ich weiß über meinen Körper Bescheid
und bin eine Woche für dich bereit.
Damit das alles klappt sehr fein,
nehm ich seit Monaten die Pille ein.
Du darfst gerne zu mir eilen
und hier eine Nacht verweilen.
Ich möchte nackt ins Bettchen steigen
und dir meine Unschuld zeigen.
Vorher geh’ n wir beide baden,
um den Schmutz dort abzuladen.
Was dann riecht und läuft an Saft
ist nur noch die eigene Kraft.
Ich hoffe doch, das turnt dich an
und du stehst dafür deinen Mann.
Viele Küsse will ich dir schenken,
denn ich muss ständig an dich denken.“
Mein Sohn war feuerrot übers Gesicht,
er schämte sich für das Gedicht.
Seine Freundin war da etwas weiter,
sah die ganze Sache ziemlich heiter.
Ich war zwar anfangs auch perplex,
doch wer kennt denn der Jugend Sex.
Drum habe ich ihn aufgeklärt,
dass manches nicht sehr lange währt.
„Schenkt sie dir ihre Unschuld, alter Knabe,
gebührt ihr dafür eine Morgengabe.
So ist es bei uns Sitte und Brauch
und das erwarte ich von dir auch.
Ein Ring, paar Clips oder ne Kette,
in dieser Art sie’ s gerne hätte.“
Ich gab ihm einen blauen Schein,
den steckte er verwundert ein.
„Bleibt etwas übrig vom Liebesfutter,
kauf drei Rosen, für deine Mutter.
Sie hat dich dereinst für sich geboren
und jetzt an eine andere Frau verloren.“
11.05.2014 © Wolf-Rüdiger Guthmann