Das verkehrte Gedicht
Gestern las ich ein Gedicht,
das hatte nur vier Zeilen.
Ich verstand es leider nicht,
drum musste ich verweilen.
Es war bestimmt ne tolle Sache,
das lehrt mich die Erfahrung.
Leider nicht in deutscher Sprache,
merkte ich als Offenbarung.
Erst habe ich mich nicht getraut,
der Hund sah mich so seltsam an,
doch dann las ich die Zeilen laut,
vielleicht erkenne ich es dann.
Erst klang es holländisch-flämisch,
dann wieder estnisch-lettisch
oder bulgarisch-rumänisch.
Schließlich sogar portugiesisch.
Bei Polnisch würde es mehr zischen,
italienisch nach Amore klingen.
Da tat mich die Idee erwischen,
vielleicht ist es was zum Singen.
Als Melodie wählte ich ganz zart,
nicht eine Arie oder Schlager.
Den Marsch von des Kaisers Bart
schmetterte ich durchs Lager.
Ob es vielleicht Esperanto ist,
die schöne Welthilfssache,
deren Vokabeln man nicht vergisst,
befasst man sich mit der Sprache.
Doch auch das ergab keinen Sinn,
das Übersetzen wollte nicht passen.
Da stieg ich schnell bei Google ein,
um es übersetzen zu lassen.
Sie druckten jede Variante aus,
der Stapel wuchs rasch an.
Ich riss alle Stecker raus,
und holte die Enigma dann.
Doch trotz „Scrypt“-Passwort
wurde es kein lesbares Gedicht.
Da verließ ich eilig diesen Ort
das versteht die Welt doch nicht.
Oder ist es Stenografie sogar,
hörte ich mich fragen,
das wäre einfach wunderbar,
ich muss den Lehrer fragen.
Der sah mich lachend an:
„Du bist wohl immer Streber gewesen,“
ich hörte völlig ratlos dann:
„So Etwas muss man von hinten lesen.“
11.03.2015 © Wolf-Rüdiger Guthmann