Aktuelle Frustration
Solang ich keine Ärzte seh,
tut mir so gut wie auch nichts weh.
Doch naht sich mir so´n Mensch mit Kittel,
empfang ich gleich den Schlag vom Büttel.
Ich kann sagen, was ich möcht,
doch was ich sag, scheint ihm nicht recht.
Er kennt mich kaum ´ne kurze Zeit
und weiß doch gleich mit mir Bescheid.
Er winkt ab, will ich was sagen:
„Hier stell ich erst mal die Fragen!“
Und so bin ich vorerst still,
antworte brav, so wie er´s will.
Er nickt sacht und zückt die Feder,
sodann zieht er schon los vom Leder.
Kratzt bedauernd seine Rübe:
„Sie sind sehr krank, verehrte Liebe.
Sie haben dies und haben das.
Und Ihre Krankheit ist kein Spaß.
Garantie kann ich nur geben,
führen Sie ein andres Leben.
Völlig anders als bisher,
Garantie gibts sonst nicht mehr.
Früh am morgen zuerst Pillen,
das wird Ihre Krankheit stillen.
Schonkost muss den Magen füllen,
das wird die Beschwerden killen.
So wie mein Befund es zeigt,
Ihr Leben sich dem End zuneigt.
Doch man muss es recht bedenken,
lassen Sie sich Jahre schenken.
Dass Sie noch lang im Stühlchen sitzen,
dazu könnten Pillchen nützen.
Und ich spüre es genau,
Sie sind eine brave alte Frau …“
Dabei spricht solch Einerlei
der gute Mann an mir vorbei,
sieht mir nicht mal in´s Gesicht,
während er zur Tochter spricht,
die mich zu ihm hingebracht,
weil sie sich um mich Sorgen macht.
Denn ich habe ihr erzählt,
dass mich ein Hühnerauge quält.
II.
Doof und alt, verrückt die Olle ist,
weil ihr nur schmeckt, was gern sie isst.
Wie sollten Pillen und Tabletten
ihr wohl neue Jugend retten?
Ganz von allein hat sie verstanden,
fast bei den Neunzigern zu landen.
Nun soll man ihr das Recht auch lassen,
das weit´re Leben zu „verprassen“.
In der Praxis noch paar kurze Stunden
hätt´sie empfangen tiefe Wunden.
Und man hätt sie rausgetragen
auf des Todes hartem Schragen.
Der Herr Doktor spräch´ beklommen:
Wär doch eher sie gekommen…
ihr Leiden hätt ich kürzen können.
Und er denkt bei sich bestürzt,
wieviel Leid er schon verkürzt.
Denn mit Haufen von Tabletten
konnt er legale Tode retten.
III.
Auf dem Weg , wo Schilder weisen
zu des Himmels Paradeisen,
wo alles preist und niemand klagt,
man die Seele staunend fragt,
warum sie mit Norm eins Gesundheitsklasse
sich schon mit dem Tod befasse.
Und sie sagt, fast klingt´s verrucht:
„Ich hab nur einen Arzt besucht !
Der schwang sofort die schärfste Säge.
So geriet ich auch auf falsche Wege!"
(2014)