Fremd
Ein Gedicht von
Roman Tieck
Manchmal bist du mir so fern
wie auf einem andern Stern.
Wir sind zusammen schon seit Jahren,
und trotzdem werd’ ich wohl nie erfahren,
was du denkst, wenn in der Ferne
dein Blick sich verliert. Dabei wüsst’ ich so gerne,
worüber du selbstvergessen sinnst
und in welches verworr’ne Gespinst
deine Gedanken sich verstricken,
wenn sie der Gegenwart dich entrücken.
Frage ich nach, so bleibst du still.
Ich kann reden, soviel ich will,
abwesend blickst du nur in die Runde,
beachtest mich nicht eine Sekunde.
Bis du plötzlich gleichsam erwachst,
den Blick zurückholst und grundlos lachst.
Dann erklärst du, es sei nichts gewesen.
Doch kann ich in deinen Augen lesen:
Du warst in eine Welt entrückt,
die mir verschlossen ist. Niemals glückt
es mir je, dorthin vorzudringen.
Ich kann nur schweigen und mich zwingen
zur Einsicht: Irgendwo bleibst du mir fremd,
auch wenn sich mein Inn’res dagegen stemmt.