Ein abgebrochener Ast
Ein Gedicht von
Roman Herberth
So mancher Ast liegt seinem Baum zu Füßen.
Gewütet hat bei Nacht ein Sturmorkan.
Die Buche fragt sich: "Warum muss ich büßen,
ich habe niemandem ein Leid getan?"
Ins Grübeln kommen sicher die Gelehrten.
Und eine Antwort hat man nicht parat.
"Es trifft", vermuten sie, "oft die Verkehrten.
Und wen es trifft, der leidet, in der Tat."
Wohl keiner weiß, wie die Geschicke walten.
Man ist zur falschen Zeit, am falschen Ort.
Und was wir ernten, das sind Sorgenfalten,
denn eine Woge wirft uns über Bord.
Man greift zum Strohhalm, kämpft mit Wind und Wetter.
Man scheint verloren, doch man gibt nicht auf.
Und eine Strömung wird uns dann zum Retter.
Ein neues Ufer nehmen wir in Kauf.
Die Buche muss auf ihren Ast verzichten.
So wie es war, so wird es nie mehr sein.
Sie wird noch jahrelang davon berichten.
Den Grund dafür, den kennt nur sie allein.