Die schwierige deutsche Sprache (wie mein Mann Deutsch gelernt hat)
Ein Gedicht von
Polina Narodezki
Die Muttersprache schenkte einst mir meine Mutter.
Ich nahm sie wahr mit Lieb’, und alles war in Butter.
Die Beste jahrelang war sie für mich und klar,
Und keine andere wie sie mir näher war.
Es schnallen viele spät, dabei sind sie so blind,
Dass nur die Sprachen wichtiger als Gold und Silber sind.
Es ist ein großes Glück zu singen und zu sprechen
Und vieles zu erklären, nicht zu radebrechen.
Nur wer die Sprache kennt, wird reicher und viel weiser,
Als alle Scheiche, Fürsten, Könige und Kaiser.
Für mich ist dieser Schatz wie eine Zauberei,
Mit ihr kann ich umschiffen alle Klippen frei.
Ich mag die Technik mehr und bin kein Germanist,
Weil Mathe und kein Wörterbuch für mich viel lieber ist.
Die Englischlehrerin, die liebte ich gar nicht,
Nie mocht’ ich in der Schule diesen Unterricht.
Ich lernte fünfzehn Jahre emsig diese Sprache,
Verlor viel Zeit umsonst bei dieser Nervensache.
Grammatik, Verben, Wörter paukte ich gern,
Zum Fußball ging ich niemals, selten sah ich fern.
Die Jahre huschten wie ein Zug sehr schnell vorbei.
Nie konnte ich mir Englisch aneignen gut dabei.
Ich lernte mit der Tochter Hebräisch noch, oh Mann!
Und auch diese Sprache vergaß ich leider dann.
Der Weg uns führte weiter in den wilden Westen.
Das Schicksal brachte uns nach Deutschland mit viel Ängsten.
Es ist ihm piepegal, dass ich mehr Technik mag,
Im Alter bin ich schon, Deutsch lernt’ ich Tag für Tag.
Die erste Lehrerin in Deutsch ist meine Frau,
Deutsch kennt sie wie die Muttersprache, Wau!
Die Hälfte möcht’ ich wissen wenigstens so gern,
Doch liegt es leider noch von mir erheblich fern.
Cocktail war schlecht, mein Alter und Sklerose,
Und meine Lehrerin hatt’ ständige Psychose.
Ich muss euch nicht erklären, es ist für alle klar,
Was war hier nicht zu meiden, nun ohne Kommentar!
Mir schwinden gleich die Wörter und der ganze Stoff,
Was ist mit mir passiert? Hab’ ich ein Loch im Kopf?
Sie sagt: “Du bist, oh Gott, so unbegabt und dreist,
Hast Nerven ramponiert, ein richtiger Quälgeist!
Wie lange soll ich dir dasselbe wiederholen“,
Bald höre ich von ihr: “Der Teufel soll dich holen...“
Doch leider Gottes tatsächlich hat sie recht.
Der Kopf in meinem Alter taugt etwas schlecht.
„Du musst dir merken, Kind und Wetter, Zimmer,
Das Neutrum ist es auf Deutsch nur immer“.
Ich bin total verwirrt, ein Chaos herrscht im Kopf,
Denn „der“ und „die “und „das“ werf’ ich in einen Topf.
Ich hab’ mir abgewöhnt die Tage zu verlieren,
Versuchte tadellos die Sprache zu studieren,
Grammatik ochste ich, fest setzte mir ein Ziel,
Und betete zu Gott mir Zeit zu schenken viel.
Die Verben habe ich noch fleißiger notiert,
Von der Grammatik war ich heftig deprimiert,
Selbst das Geschlecht fast aller Substantive,
Hat übertroffen alle Normative!
Der Hund, der Fisch ist „der“, das Kind ist „das “warum?
Und dies’ Geschlecht versteh’ ich andersrum,
Als ob das Mädchen schon kein Lebewesen ist,
Das Neutrum ist es, wie ihr bestimmt jetzt wisst.
„Ach, du bist aber faul, – sagt mein Schatz zu mir,
Begreif: Phonetik, Tonfall sind auch wichtig hier!“
Ich bin gar nicht so faul, kapier’ mit Ach und Krach,
Mein armes Schädeldach vom Lernen ist ganz schwach.
Ich hoff’, ich schaff’ es noch und alles bring ins Lot.
Denn Ich bin klug genug, bestimmt kein Idiot.
Ich kenne viele Sänger, sie singen schön und frei,
Sie haben nie gelernt das Noteneinerlei.
„Oh, ja!“ sag’ ich auf Deutsch mit richtigem Akzent,
Und seh’ mit Stolz auf alle, erwart’ ein Kompliment,
Ich bin am wunden Punkt getroffen absolut,
Wenn jemand sagt: “Man kann verstehen dich ganz gut“.
Ich lese Texte, lerne stets, bin leider noch nicht weit.
Mit meinem Deutsch, verdammt, ich kämpf’ die ganze Zeit.
Doch ohne deutsche Sprache leben viele gut,
Kein gutes Wissen haben sie, wohl aber – Übermut.
Ich habe dauernd viel Mühe mir gegeben,
Und ohne Kenntnisse kann ruhevoll nicht leben,
So büffle ich begierig, sitze Tag und Nacht,
Es ist für mich wie eine Abwehrschlacht.
Mit dieser Sprache hab’ ich ständig so ein Pech.
Wenn ich nicht überlege, rede ich viel Blech.
Es macht das Leben weiterhin mir nur zur Pein,
Wann öffnet sich nun endlich dieser gold’ne Schrein.
Ich schaffe einst letztendlich diese Sprache,
Schön wäre es, dass ich nicht laut lache!
Ein Wunder unversehens wird geschehen,
Wie russisch sprech’ ich sie, vermag gut zu verstehen.
Ich treff’ den deutschen Nachbarn zu Hause im Hof,
Und ich hab’ kein Problem, bin nicht mehr saudoof.
Er grüßet mich ganz herzlich: “Freut mich. Guten Tag“,
Stolz antworte ich ihm: “Ich grüße Sie Herr Back“.
Nett sprechen wir von A’ und O’ zu zweit,
Beisammen auf der Bank mit so viel Freudigkeit,
Gedenken der Gedichte Heines wir zurecht,
Erwähnen die modernen, die meistens sind nicht schlecht.
Mit diesen schönen Träumen, bin ich ziemlich weit,
Ich schaff’ die Sprache nie, bin jetzt nicht so gescheit.
Gedächtnisschwäche hab’ gekriegt ich noch dazu,
Warum soll ich mich quälen, frag’ ich mich wozu?
Die meisten leiden nicht, mit Fehlern flink umgehen.
Und sind zufrieden sehr, man kann sie gut verstehen,
Sie haben keine Minderwertigkeitsgefühle,
Akzentfrei sprechen sie, nie steht still ihre Mühle.
Berliner Dialekt, den haben sie dabei,
Selbst für ein gutes Ohr, ist’s eine Quälerei.
„Ick weeß jar nischt, jans jut, du Scheiße“,
Es ist ein bisschen schnoddrige Sprechweise.
Es ist zuweilen putzig, wenn mancher Ausländer,
Entweder Finne oder ein Holländer,
Lässt ein sich miteinander nett in ein Gespräch,
Flicht ein auf Russisch grobe Worte frech.
Jetzt weiß ich Russisch richtig einzuschätzen,
Ich spreche frei, kann viele Bücher wälzen.
Die Sprache ist poetisch, musikalisch,
Mal traurig, mal lustig, literarisch.
In Muttersprache bin bewandert ich recht gut.
Sie liegt mir tief von Kindheit an in meinem Blut.
Und als Beweis dafür, schreib’ ich mit Lust und viel,
Ich schmiede Verse gern, das ist kein Pappenstiel.
Und was mit Deutsch sein wird, weiß ganz und gar ich nicht,
Obwohl ich sprechen kann, wenn auch nur ganz schlicht.
Die Feinheit auszudrücken, es ist noch nicht in Sicht,
Das heißt, ich schaffe nie auf Deutsch ein Scherzgedicht!
Russischer Text von S. Narodezki
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