Kopfschmerzen
Ein Gedicht von
Lothar Schwalm
Ich habe Kopfschmerzen
und bekomme sie nicht los
fühle mich ohnmächtig
gegenüber diesem Druck –
fast schon panisch –
und panisch ist auch das,
was sich hinter meinen Kopfschmerzen verbirgt:
Angst,
eine unvorstellbare Angst
Vor 20 Jahren fand ich heraus,
dass meine Kopfschmerzen für eine Angst stehen,
eine Angst,
deren Grund ich nie verstand,
groß, übermächtig bisweilen,
und ich zermarterte mir buchstäblich das Hirn,
wovor ich solche Angst hatte.
Dann fand ich es heraus:
Es war die Angst vor meinem Vater.
Und heute?
Ich glaube, auch heute ist meine Angst
nicht wirklich weit von meiner
alten Angst entfernt.
Ich lebe meine Sexualität – und ich liebe sie.
Spiele in Gedanken oft mit SM,
bin fasziniert von Macht und Ohnmacht,
von Dominanz und Unterwerfung,
von Fesseln und Gefesseltwerden,
möchte alle Macht der Welt über Dich haben
und gleichzeitig mich selbst ausliefern.
Möchte mich fallen lassen
und Deinen Phantasien ergeben können.
Aber ich möchte nie wieder vergewaltigt,
sexuell missbraucht und gequält werden.
Davor habe ich eine unsägliche Angst.
Das habe ich alles schon gehabt,
alles schon erlebt.
Ich habe es überlebt,
habe meinen Vater überlebt!
Ich glaube, ein zweites Mal
würde ich es nicht überleben.
In meinen Angstphantasien sterbe ich dann jedes Mal.
Ich kann es mir nicht vorstellen,
so etwas ein weiteres Mal zu überleben.
Ich möchte mich so gerne fallen lassen
und hingeben können,
bei der Liebe,
beim Sex,
einfach loslassen und davon fließen,
aber noch kann ich es nicht.
Möchte mich fesseln und unterwerfen lassen,
dominiert und bestimmt werden,
möchte den Mut zur Demut haben,
denn Demut ist etwas anderes als Demütigung,
aber noch ist die Angst zu groß.
Das sagt mir mein Körper, mein Kopf,
das sagen mir meine Kopfschmerzen.
Noch ist die Ambivalenz da.
Und vielleicht ist das gerade hier spürbar,
wo ich Wiebke und Vimala begegne,
wo die Leidenschaft noch Leiden schafft,
wo meine Gefühle für SM
so intensiv, so zwiespältig sind,
wo ich aber auch die Chance habe,
mir über Vieles klar zu werden,
mit Leuten zu reden,
mich zu entspannen
und mir viel Gutes zu tun.
So sehr ich meine Kopfschmerzen verfluche,
so sehr weiß ich aber auch
um ihre Alarmfunktion.
Daher habe ich großen Respekt
vor meinem Körper,
denn niemand schützt mich so gut wie er.
Und das fühlt sich
zur Abwechselung mal gut an.
ls201104