Die ausgeblasenen Lichtlein

Ein Gedicht von Jürgen Wagner
Am Hohlweg stand ein kleiner Tisch,
gedeckt mit Speis und Trank
Frau Berchta mit der Kinderschar
zog segnend durch das Land
 
Die Magd, sie wollte sie mal seh‘n,
versteckt sich im Verschlag
Vom Berg her kam ein leiser Klang
und eine Stimme sprach:
 
Zwei Lichter sind zu viel am Ort,
Kind, blase sie doch aus
Die Magd wurd‘ blind, konnt‘ nichts mehr seh’n,
beschämt ging sie nach Haus‘
 
Doch lebte auf dem großen Hof
auch eine alte Frau
Die kannte noch die alte Zeit
und wusste noch genau
 
die Mär der großen Spinnerin,
Geschichten alter Zeit,
erzählte sie der jungen Magd
Die sah - ihr Herz wurd‘ weit!
 
‚Ach‘ klagte sie, es war ihr arg
'Ich wollt‘ die Göttin schau‘n
Missachtete das klar‘ Gebot
und konnte nicht vertrau‘n'
 
Das rührt‘ die Bercht von ferne her:
'Kind, blas die Lichtlein an!'
Oh Wunder, sie konnt' wieder seh’n!
Vom Berg her tönt Gesang


In vielen Dörfern der Fränkischen Alb kannte man den Brauch, am Abend des 6.1. einen Tisch mit reichlich Speisen und Getränken für Frau Berchta aufzustellen, die mit den Seelen der verstorbenen Kinder durch's Land zog. Man hoffte auf den göttlichen Segen für das Gedeihen im neuen Jahr.

Informationen zum Gedicht: Die ausgeblasenen Lichtlein

1.718 mal gelesen
(Eine Person hat das Gedicht bewertet. Der Durchschnitt beträgt 5,0 von 5 Sternen)
1
19.01.2016
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Jürgen Wagner) für private Zwecke frei verwendet werden. Hier kommerzielle Anfrage stellen.
Anzeige