Wehe, wehe, Vene!

Ein Gedicht von Helmut A. Pätzold
Wehe, wehe – Vene!
Ein Öldruckschlauch im Hebekran,
fing plötzlich sacht zu tropfen an.
Ein Zeichen für den Ingenieur,
es muss sofort ein neuer her!
Der Alte raus – der Neue rein,
könnt es doch stets so einfach sein:
Bei mir im Bein, ein Venenstrang,
der fleißig, viele Jahre lang,
das Blut gepumpt, war niemals krank,
nahm auch die Arbeit nicht so schwer,
doch eines Tages kündigt er,
durch Schmerzen und Entzündung an,
dass er es nicht mehr richtig kann!
Dem Ingenieur ist das zu schwer,
hier muss ein Medizinmann her!
Der drückte hier und prüfte da,
dann sagte er: Aha, naja,
die Vene ist nicht mehr das Wahre,
kein Wunder – 78 Jahre
und grob gesündigt manchen Tag,
was eine Vene gar nicht mag.
Was ist zu tun fragt ich beklommen?
Sie wird einfach herausgenommen,
Narkose – Schnitt – dann ziehen sacht,
das wird heut ambulant gemacht.
Was bei ihm klang wie Honigseim,
schlug bei mir wie ein Faustschlag ein!
Könnt ich vielleicht darauf verzichten?
Er dachte nach und sprach: Mitnichten,
von selbst verbessert sich das nimmer,
es wird von Tag zu Tag nur schlimmer.
Da kam ich, wenig froh, zum Schluss:
Hab keine Wahl, was muss, das muss!
Am 2. Mai war es soweit,
ich lag im Bett, zur Tat bereit.
Dann holten mich die Schwestern ab,
sie schoben mich, im sanften Trab,
entlang den Gang, mit kühnem Schwung.
mein Gott was sind die Mädchen jung,
sie möchten tanzen, lachen, lieben,
und müssen alte Männer schieben.
Schon liegt man im sterilen Raum,
schnell schläfst Du ein, hast keinen Traum,
Du blinzelst in ein helles Licht,
was Dir geschah, das weißt Du nicht.
Alles sitzt noch am rechten Fleck,
nur die Vene, die ist weg!
Nun beginnt, mach Dich bereit,
eine wenig schöne Zeit.
Man erhält, Du ahnst es schon,
einen Strumpf zur Kompression.
Der dazu dient, dass innere Venen,
die Schicht der alten übernehmen,
die jetzt weg ist und drum fehlt,
aber Dich nun nicht mehr quält!
Man trägt den Strumpf 6 Wochen lang,
mal Hoffnung und mal Untergang.
Doch irgendwann ist es zu Ende,
man reibt seelenfroh die Hände.
Aber das Grauen kommt mich an:
Wann ist die nächste Vene dran?

Informationen zum Gedicht: Wehe, wehe, Vene!

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29.03.2016
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