Weihnachtsbaum Traum(a) + Nachruf

Ein Gedicht von Franz josef Klötgen
Laut einer Umfrage streiten sich über 60% über die Form ihres Weihnachtsbaums (nach
Befragen von Verkäufern bisweilen äußerst heftig) — seltsam, wo alle ein friedliches Fest
wünschen. Das brachte mich auf folgende Verse:


Die fürs Fest des Friedens wichtigste Frage — man glaubt es kaum —
Ist die Entscheidung für'n Weihnachtsbaum.
Wie oft hing der Segen vorm Fest nicht schon schief,
weils bei der Wahl des Christbaums nicht lief.
Das ist bei Deutschen halt zu bedenken, da geht's um mehr als den Tisch mit Geschenken.
Wie oft nicht war er viel zu hohl.
Das kennt jeder wohl.
Dann war er wieder viel zu dicht.
Das vergisst man so schnell nicht.

Die entscheidende Frage - keine Witze —
bleibt letztendlich die Form der Spitze.
Mag man mal die Gesamtform nicht leiden,
kann sie notfalls alles entscheiden.
Und entgegen allen Bedenken
getrost den Blick nach oben hin lenken.

Geht es dann zur Wahl des Schmucks,
zeigt Waldi im Körbchen vor Angst keinen Mucks.
Wünscht sich Anke alles in Weiß,
kontert ihr Bruder: Red' nicht so'n — Mist!
Doch um zu vermeiden großen Zwist,
äußert er mit sanfterem Ton:
„Die hatten wir vor 2 Jahren schon.
Wie wär's denn dies Jahr „Alles in Rot!"
„Hast wohl 'ne Meise", sagt Sonja — erinnert ja an Blut und Tod."
Die Uneinigkeit nutzt Tantchen ganz schlau
und wünscht die Kugeln in glänzendem Blau.
Topwunsch von Oma Henriette:
Rund um den Baum 'ne Lichterkette —
dazu dann noch grau / silbrige Streifen.
All diese Tips will man gerne aufgreifen.

Als die Entscheidung war endlich getroffen,
konnt' man getrost auf Frieden hoffen.
Doch die Ruhe währte nicht lange
beim Anblick von Nachbars Edeltanne.
Er hatte nicht die Qual der Wahl
Vaters Gesicht wurde aschfahl,
als Schmitz sagte, er würde ihm gern so'n Prachtstück besorgen —
natürlich umsonst und auch schon gleich morgen.

Auf dem Friedhof stünd'n sie zu dicht.
Er dünne sie aus, sie bräuchten mehr Licht.
Schon beim Rausgeh'n hat Vater geflucht:
„Hätten wir die doch gar nicht besucht.
60 € habe ich umsonst rausgeschmissen
und find unser'n Baum jetzt richtig bescheiden.
Mag ihn überhaupt nicht mehr leiden.
Ich kaufe nächstens 'ne künstliche Tanne,
um zu vermeiden jegliche Panne.

Doch Resi sah ihn flehend an:
Da fehlt der Tannenduft doch dran —
Und weiter konterte sie ohne Pardon:
„Da siehst' es jetzt wieder; das hast'e davon"-meckerte weiter, kiebig, putzmunter
und machte ihren Waldemar runter —
herrschte ihn an, begann zu flennen:
„Hättest dich ja auch eh`r um 'nen Baum kümmern können.
Doch hilft's jetzt nicht, zu jammern, zu klagen;
Nächstens werde ich selbst bei Schmitz nachfragen."

Er saß da grimmig und fing an zu bocken:
„Ich pfeife auf deine Geschenke und Socken.
Nie mehr werd' ich mich mit dem Thema 'rum quälen.
Nächstens kannst du ja deine Tannen selbst auswählen!"


Doch aus Mitleid mit all den Männern,
die nicht zählen zu Weihnachtsbaumkennern
fasste er plötzlich einen Entschluss,
um zu beenden allen Verdruss.
Er hob seine Stimme und sprach wie ein Held:
„Ich hab' einen Vorschlag, der euch sicher gefällt.
Ich gründe ein Weihnachtsbaumbüro —
und alle, die's wünschen, mache ich froh.
Zwischen Ehepartnern wird so viel Ärger vermieden. -
Ich schenke Familien wahrhaften Frieden."

Er bekam viel Zulauf und musste sich schulen,
um passende Verse herunter zu spulen
bei Frau Bürgermeister und Frau Lenz,
der Gattin des Chefverkäufers von Daimler Benz.
Sein Geschäft boomte und dehnte sich aus.
Er tingelte nicht mehr von Haus zu Haus.
Er gründete Zweigstellen in vielen Städten —
und konnte manchen aus der Arbeitslosigkeit retten.

Waldemar reiste nach Österreich und Polen,
um sich die schönsten Bäume zu holen.
Selbst in Schweden und Kanada
war er schon wegen der Bäume da.

Denn schaut man auf die Nordmann-Tanne,
lacht sogleich das Herz im Manne.
Prächtig geordnet wirken die Äste —
zum Verteilen der Kerzen ist sie die beste.
Wirkt kräftig, glänzend, frisch und apart.
Sie ist halt von besonderer Art.

Wurd' er von Kunden überrannt,
gab's Nachschub schnell aus dem Sauerland.
Er hat seinen Job glänzend gemeistert —
war von sich selbst sogar richtig begeistert.

Doch so reich er auch wurde — er blieb sozial
zu Armen, die nicht kannten die Christbaum — Wahl.
War stets bemüht, an sie zu denken
und sie jährlich zu beschenken.
Für alle hatte er ein Herz —
linderte gar manchen Schmerz.
Überließ ihnen kostenlos alle Bäume,
die nicht passten in Luxusräume.
Gingen die Bäume mal zu Neige,
schenkte er Singles sämtliche Zweige,
die beim Kürzen übrig blieben —
weshalb sie ihn jetzt alle lieben.
Manche Ehe wär' fast schon zerrüttet,
doch Waldemar hat alles gekittet.
Vielen wurd' so gelindert die Qual.
Seine Idee war einfach GENIAL.
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Nachruf: Aus der Traum vom Weihnachtsbaum

Wie oft wurd' gestritten um meine Form?
Das INTERESSE an mir war ganz enorm.
Doch schon kurz nach dem Feste mich keiner mehr ehrte
und niemand sich mehr um mich scherte.
Das Interesse galt plötzlich Sekt und Raketen,
möglichst günstig für wenig Moneten.
Besang man, dass ich nicht nur grünte zur Sommerzeit,
sondern auch im Winter wenn es schneit.
So werd ich rasch aus der Wohnung verbannt,
lieg missachtet am Straßenrand,
werde kurz darauf geschreddert oder verbrannt.
Kann nicht verstehen wie es passierte,
dass man mich plötzlich ignorierte.

Hoffe nur, dass man zukünftig meine Freunde schätzt
und sich niemand mehr sich um sie fetzt.
Die Polizei nicht zum Schluss
öfter als sonst Streit schlichten muss.
Sonst heißt's wie bisher, das Fest der Liebe
sei hier oft das Fest der Hiebe.

Informationen zum Gedicht: Weihnachtsbaum Traum(a) + Nachruf

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23.11.2016
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