An allem sind Chamäleons schuld

Ein Gedicht von Eva Pietsch
Sie sind ein sonderbarer Fall.
Vor ihnen ist zu warnen:
Chamäleons sind überall.
Sie wissen sich gut zu tarnen.

Die Umgebungsfarbe angenommen
haben sie in unseren Breiten perfekt.
Keiner ist ihnen je auf die Schliche gekommen.
Niemand hat die Chamäleons bisher entdeckt.

Weil die heimischen uns stets erfolgreich narrten,
denken wir, dass sie nur in den Tropen existieren.
Wir kennen nur die äquatorialen Arten,
deren Tarnungen nur schlecht funktionieren.

Dort fressen sie bevorzugt Insekten,
wohingegen sie bei uns alles nehmen,
was sie je an Essbarem entdeckten.
Was wäre los, wenn wir dahinterkämen!

Fehlen im Kühlschrank vom Edamer Scheiben,
sitzen die Übeltäter unbemerkt auf dem Teller.
Es sind Chamäleons beim Schabernack-treiben,
diese raffinierten Farben-Versteller!

Das gemeine Chamäleon ernährt sich
von unseren Vorräten an Leckereien.
Keiner weiß es und keiner wehrt sich.
Chamäleons können deshalb prächtig gedeihen.

Wie behandeln sie viel zu gütig
aus reiner Ahnungslosigkeit.
Chamäleons werden leicht übermütig
und sind schuld an so mancher Widrigkeit.

Es ist wieder einmal passiert:
Ein Schlüssel ist verschwunden.
Dann hat ein Chamäleon ihn umplatziert.
Deshalb hat man ihn nicht gefunden.

Chamäleons haben durchaus Humor:
Auf dem vermeintlich leeren Edamer-Teller
findet man später den Schlüssel vor.
Weiß man das vorher, findet man ihn schneller.

Da sitzen sie in unserem Kühlschrank und grinsen
und reiben sich feixend die Vorderpfoten.
Farben und Muster von Butter und Linsen
haben sie unserem Sehsinn zur Täuschung geboten.

Den Unersättlichen will nur Butter nicht reichen.
Der Tierschutz hat es auch nicht verboten.
Sie lieben es, wenn wir sie mit Honig bestreichen.
Darum sitzen sie knusprig braun zwischen den Broten.

Beim Frühstück merkt man: Irgendwas ist verkehrt.
Man hat sich gerade sein Brot gestrichen.
Müde zweifelt man: Hab‘ ich es schon verzehrt?
Dabei ist es mit dem Aufstrich davongeschlichen.

Uns immer aufs Neue zum Narren zu halten,
sind diese possierlichen Tierchen beflissen.
In dieser Kunst lieben sie sich zu entfalten.
Sie sind gewitzt und äußerst gerissen.

Zum Beispiel nach langer Fahndungsphase
entdeckt man im Spiegelbild urplötzlich
die Brille wieder auf der eigenen Nase.
Das finden Chamäleons aufs höchste ergötzlich.

Sie erfreu‘n sich an unseren dummen Gesichtern
und denken sich neue Streiche aus
planen, wo sie am besten als nächstes irrlichtern
und erfolgreich Chaos stiften im Haus.

Immerzu sind sie auf Achse,
zum Beispiel um Staub zu verteil‘n in den Ecken.
Diese unsichtbaren Frechdachse
seh‘n ihre Aufgabe darin, uns zu necken.

Stört einen nachts ein Geräusch aus dem Schlaf
und geht einem auf den Keks,
heißt das nur, die Chamäleons sind fleißig und brav
in neuer Mission unterwegs.

Will jemand nun wissen, wie man sie ertappt,
diese heimlichen Plagegeister?
Es wäre möglich, dass es klappt
mit Chamäleon-Kleister.

Ist dann mal eins auf den Leim gegangen,
bekommt man es dennoch nie zu Gesicht.
Zwar hat man erfolgreich dann eins gefangen,
aber beweisen kann man es leider nicht.

Informationen zum Gedicht: An allem sind Chamäleons schuld

48 mal gelesen
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03.06.2023
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Eva Pietsch) für private Zwecke frei verwendet werden. Hier kommerzielle Anfrage stellen.
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