Der Doktor

Ein Gedicht von Detlef Maischak
Einsam steht ein Haus
In Waldes tiefem Orte
Menschen gehen ein und aus
Quetschen sich durch eine Pforte
Und drinnen schmoren Braten
Auf dem vollgerussten Herd
Auf die Weine muß man warten
Durst an vielen Gästen zerrt

Der Tag hat seinen Weg gemacht
Und legt sich hin zur Ruh
Aufgestanden ist diese Nacht
Zauber kehrt im Nu
Christoph steigt aus seinem Wagen
Und im Mondesschein
Geht er dort wo Tannen ragen
In das Haus hinein

Setzt sich dort nun schweigend nieder
Schaut noch still in diese Menge
Kellner kommen immer wieder
Hin und her durch diese Enge
Und sieh, ein bucklig Männlein
Steht ganz plötzlich hier am Ort
Und schiebt im trüben Lampenschein
Das ganz normale Treiben fort

Seine Stimme, wie sie soll
Mal laut und wieder sacht
Wunder! Wunder! Wie wundervoll!
Und blickt dann schaurig in die Nacht
Im Namen der Wissenschaft
Hört mich an!
Befreiet euch aus Gottes Haft
Und Glück sei euch nun zugetan!

Jeder Schmerz vergeht
Jeder Kummer schwindet!
Ihr edlen Herren seht
Wie Wissenschaft die Sorgen bindet!
Und jeder kluge Mann
Wende sich mir um!
Seht doch, ein Wunder begann
Ich trage es herum!

Wissenschaft, segnet euer Schicksal
Segnet diesen Tag!
Denn unter euch ist ER im Saal
Der weder Tempel noch Götter mag!
Nun streckt er gar die Arme aus
Hoch oben auf einer Bank
Und Zauberei schleicht in das Haus
Beendet Streit und Zank

Ich bin da, Professor aus Wien
Bolognas zweifacher Bakkalaureus!
Doktor schwarzer Magien
Verachter von Zeus!
Ich, der Polonien mit magischer Hand
Vor Pest und Unglück schützte!
Ich, der im Ungarland
Menschen in der Armut stützte!

Bezwinger von sieben Bischöfen
Freund des Kaisers Sigismund!
Wissenschaftler auf allen Höfen
Hier, die größten Wunder geb ich kund!
Ich, der totenerweckende Wundermagier
Blinde werden sehen!
Ich, Ökonom Ridiculus von Trier
Lahme werden gehen!

Frauen gebären ohne Haft
Hühner legen goldene Eier!
Wissenschaft, o Wissenschaft
Die ganze Welt wird meine Feier!
Und Christoph geht auf Tisch und Plätze
Wandelt träumerisch durch Weiten
Der Gelehrte hat die Schätze
Die ihn tragen durch Ort und Zeiten

Im Kamin die Flammen blaß
Wandeln sich dann grün und lila
Und als ER glühend Holz noch fast
Sind all die Wunder wieder da
Denn plötzlich ganz dunkel
Nur um Lampen ein bläulich Schein
Und von allen Seiten tönend Gemunkel
Das kann nur der Mächtigste sein

Christoph fühlt sich nun allein
Auf Stirn und Nase kalt der Schweiß
Ach lieber Gott, wer soll das sein?
Und was er wusste, geht nun leis
Das Feuer flammt gar plötzlich auf
Ward grelles, zischend Licht
Schlägt nun hoch zur Decke rauf
Als käme nun das jüngst Gericht

Die Menge horcht auf
Drängt sich zur Seite
Und ein drohender Lauf
Lenkt sich durch Nähe und Weite
Denn ER sagt nun Sprüche
Der schwarzen Magie
Und murmelt in Brüche
Worte der Philosophie

Nun kommt der Zauberer hervor
Um ganz leise hier zu wandeln
Um zu mustern, wie ein Thor
Um mit Menschen anzubandeln
Du!
Christoph ist gefangen
Und ruft dem Volke zu
Doch Worte kann er nicht erlangen

Hast du Schmerzen?
Der Zauberer streift sein Kinn
Und trifft ihn im Herzen
Und zeigt ihm den Sinn
Au! Ruft er nun aus
Und faßt sich ans Gesicht
Wohin geht nur dieser Lauf?
Denn Schmerzen sind es nicht

Du wirst Durst bekommen
Dort steht dein Glas!
Und so greift er wie benommen
Doch nur ins Leere, ohne Naß
Auch bist du schwach, sehr schwach!
Christophs Muskeln sind gelähmt
Wie im Schlafe, doch hellwach
Ohne Kraft, nun ganz beschämt

Und in seinem Rausche
Sieht er schwarze Schwingen
Denn der Teufel will im Tausche
Für seine Seele, Heilung bringen
Nun schallts, soll Gold dein Eigen sein?
Und alle Schätze dieser Welt?
Auf dem Tische nun ein rötlich Schein
Bewunderung hat sich gesellt

Christoph tritt heran
In seinen Augen glänzend Gold
Er weiß nicht wo und wann
Ihm war das Glück so hold
Trunken von der reichen Menge
Giert besessen er danach
Doch schwindet dann, in dieser Enge
Alles durch das kleine Dach

Und wieder zischt es um seinen Leib
Und wieder Worte ihm ins Ohr
Willst du ein Weib?
Ich brings hervor!
In Christoph ballt sich wilde Gier
Denn Träume werden wach
Und in die Höh schwebt der Magier
Läßt neue Wunder durch das Dach

Von oben fällt ein Schein
Der dann rötlich fließt
Der dann taucht in Wellen ein
Und sich als Zaubermeer ergießt
Heiße Wogen kommen schwer
Um als Säule aufzustehen
Um sich zu teilen hin und her
Um als Blume aufzugehen

Glühend Metall
Nun schwappend in der Blüte
Und türmend nun ein Wall
Schützt diesen Ort mit Güte
Noch mit leichten Füßen
Tanzend auf dem Zaubermeer
Will sie endlich ihn begrüßen
Und zeigt sich vor ihm her

Christoph haut sich auf die Brust
Wilde Gier strafft seine Lenden
Nun stürmt er vor, welch eine Lust
Die schönste Frau in seinen Händen
Doch von den Wellen im Zaubermeer
Schwindet rötlich Gischt
Das Wunder hier umher
Erstickt, als auch die Frau erlischt

Nicht! Nicht!
Verzweiflung durch die Räume schrillt
Christoph löscht das Licht
Ist länger nicht dem Leben gewillt
Doch schallt es plötzlich her
Du König der Lüge genug!
Durch die Menge ins Zaubermeer
Drängt ein Mönch geschickt und klug

Noch naß vom Regen
Brennt gefährliche Wut
Fäuste sind nicht Gottes Segen
Für den Zauberer mit Doktorhut
Lüge, Lüge! ruft der Mönch empört
Und am Boden liegt der kleine Mann
Die Kirche hat auf Gott geschwört
Doch Wissenschaft kommt besser an

17.04.1976 Detlef Maischak

Informationen zum Gedicht: Der Doktor

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01.05.2012
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Detlef Maischak) für private Zwecke frei verwendet werden. Hier kommerzielle Anfrage stellen.
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