Spiegelbild
Ein Gedicht von
Claudia Behrndt
Ich blicke in den Spiegel
und sehe eine Frau.
Sie scheint verzweifelt,
das sehe ich genau.
Was ist mit ihr
was hat sie bloß?
Ist ihr Schmerz
doch so groß?
Man hat sie tief verletzt,
die Seele schon ruiniert.
Das Herz ist auch zerfetzt,
die Wände sind mit Blut beschmiert.
Sie blickt ins Leere
und sieht mich nicht.
Sie greift plötzlich zur Schere
und schneidet sich ins Gesicht.
Die Schere war ihr nicht scharf genug,
die Klinge zum Schneiden bereit.
Ich schrei sie an: "Tu es nicht",
aber sie ist mit ihren Gedanken weit.
Plötzlich springt die Türe auf - laut
und mein Mann mich entsetzt anschaut.
Da wird mir doch auf einmal klar,
das ICH diese verzweifelte Frau war.
© Claudia Behrndt, 20.06.2006