Neujahrsmorgen
….Ein neues Jahr liegt in der Luft;
das alte ist mit Lärm verpufft.
Nach langer, meist durchzechter Nacht
wird hier und da Bilanz gemacht.
Man überschlägt, berechnet, schreibt,
ob Plus, ob Minus übrigbleibt;
ob all die reichlichen Talente
erbrachten ebenso viel Rente.
….Es ist zum auf-die-Bäume-Klimmen,
das Endergebnis will nicht stimmen:
Die Konten wachsen Tag für Tag,
doch menschlich beibt ein Fehlbetrag.
….Gott Janus nur blickt ohne Zorn
teils rückwärts, andrerseits nach vorn.
Ihm offenbart sich auch das Morgen,
was unsern Sinnen ist verborgen.
Schön wär´s, wir wüssten, was er sieht,
was dermaleinst mit uns geschieht.
Wir wissen leider nur, was war,
jetzt zu Beginn im Januar,
bestimmt nicht alles nur erfreulich,
im Gegenteil, oft höchst abscheulich.
Doch was Beruhigung gewährt,
es ist vergangen und verjährt.
….Die Zukunft aber, wie gesagt,
durchaus nicht jedermann behagt,
denn was am wenigsten geheuer:
Sie ist verhüllt mit einem Schleier.
Als aufgeklärte Zeitgenossen
sind wir verärgert und verdrossen
und fangen an, intim zu leiden,
wenn wir nicht alles selbst entscheiden.
Passt etwas nicht in unser Hirn,
dann muss es ärgern und verwirr´n.
Intelligenz, Verstand, Kalkül
und ja kein Anstrich von Gefühl!
Denn dieses irritiert, so scheint´s,
das Hirncomputereinmaleins.
….Der Fortschritt ist nicht aufzuhalten.
Ein Paradies wird sich entfalten,
Erfolg und Leistung als Propeller,
Noch schöner, höher, grösser, schneller.
Das bisschen Angst – um Gottes Willen,
wofür gibt´s Alkohol und Pillen?
Der Tod – auch alles halb so schlimm,
ein Märchen der Gebrüder Grimm,
Legende höchstens, Mythos, Sage,
nicht ernst zu nehmen heutzutage.
….Wie dem auch sei, noch leben wir.
Einladend steht sie auf, die Tür
zu ungezählten Möglichkeiten.
Lasst uns entschlossen vorwärtsschreiten!
Silesio