Mein Freund, der Sepp.
Lieber Sepp,
ich bin noch auf der Welt,
muss zusehen, wie dein Sägewerk zerfällt,
ich bin die einzige, die um dich weint,
es ist keiner mehr da, wie es scheint.
Sepp, deine Nummer steht noch im Netz, es ist eine Vision,
denn du bist 2o Jahre tot und kannst nicht mehr ans Telefon.
Sepp, ich höre noch die schrillen Töne in unseren Kinderohren,
wenn Baumstämme auf den Loren,
zersägt von dem geschwinden Blatt mit den scharfen Zähnen
die Luft puderte mit Sägespänen.
Die Bretter wurden gestapelt und hoch getürmt,
wir Kinder haben die Gipfel gestürmt-
und du, Sepp, hast uns die Freiheit gelassen,
wir mussten nur auf uns selbst aufpassen.
Im Sommer wurden wir oft in den Wald mitgenommen
im Bayrischen/Böhmischen hast du das Holz bekommen.
Von der Ladefläche runter in dein Führerhaus,
so fuhren wir harzbefleckt mit den Stämmen nach Haus.
Sepp, du gabst uns immer Freude am Kinderleben,
hast uns sogar dein Paddelboot gegeben:
„Aber rudert`s nur bis zum Viadukt, sonst wird`s gefährlich“,
das haben wir eingehalten, wir waren ehrlich.
Wir durften in der Wolfach fischen,
die Fänge braten, sie in der Bauernküche auftischen.
Wir waren gern gesehen bei Muttern, lernten bei ihr den Rahm mit der Zentrifuge buttern.
Und wenn es regnete an manchem Sommertag,
fanden wir immer einen Bretterverschlag,
der uns vorübergehend nützte,
dann sprangen wir in die Pfützen bis es spritzte.
Wenn die Baumstämme dampften nach dem Regen,
kam uns Harzgeruch entgegen,
der unsere Lungen aromatisierte wie Menthol;
bei Sonne, Wind und Regen fühlten wir uns gesund und wohl.
Sepp, du konntest immer mein Heimweh ermessen,
hast mich gemocht, auch nie vergessen.
Deshalb bist du oft mit mir in den Himmel geflogen,
denn du warst Flieger, zeigtest mir meine Heimat von oben.
Sepp, ich war noch bei dir, doch du hast mich nicht mehr erkannt.
Lieber Freund, die Zeit verrinnt nun im Sand.
Die Blümelmühle stürzt ein, ich war kürzlich da,
da dacht ich an dich, wie schön es mit uns war-
und, dass sich alles mit der Zeit vergisst,
so, als wenn nie was gewesen ist.
Lieber Sepp, ich bin noch eine, die an dich denkt.
Du hast mir meine Kindheit geschenkt.