Der Dieb.

Ein Gedicht von Christine Biermann
Ein kleines Häuschen, zentral gelegen,
für die dort Wohnenden ist das Haus ein Segen.
Die U-Bahn fährt zum „Tor der Welt“;
man kann schon sagen: es gefällt.
Wir sind ein Teil dieser alten und neuen Generation,
wir wohnen da über 4o Jahre schon.
Jung waren wir, von Freunden umworben.
Inzwischen sind wir alt geworden.
Lange Wege werden weit,
und alles mündet in Bescheidenheit.
Frau managt den Tag, der Mann kann nicht mehr,
das Auto aber fährt noch ER.
Auch in der alten Ehe fällt irgendwann die Note:
Frauenquote:
Geändert hat sich`s wesentlich,
denn das, was Männersache war, das bin jetzt ICH.
Zum Beispiel: Frauenpower Rasenmähen.
Gestern, als der Strom im Haus das Kabel belebte,
den Rasenmäher zum Schneiden anregte,
die Haustüre halb offen stand, der Steckdose wegen,
schlich ein Dieb in das kleine Häuschen,
das so zentral gelegen,
an der U-Bahn, zum „Tor der Welt“
die sich gut bewährt, und auch Gauner mit Diebesgut fährt.
Mit Geld und den Inhalten, was schwer zu bekommen,
alles aus der Handtasche, hat er mitgenommen.
Das Angebot war leichtsinnig am Stuhl platziert, klar,
die „Gelegenheit macht Diebe“ ist deshalb schnell passiert.
Da plagt mich das Gewissen,
I h n nicht, denn er war sehr geschwind, geübt und gerissen.
Die Fortsetzung dieser üblen Gaunere
war die Schadensbegrenzung bei Bank und Polizei.
Nervenaufregend das Sperren der Kontokarte;
die Nummer gewählt: ich warte und warte.
Die Computerstimme bellt Befehle, doch es mag nicht gehen!
Sie wiederholt: “ Ich kann Sie nicht verstehn, ich kann Sie nicht verstehn.“
Am nächsten Tag stehe ich morgens am Rathausportal
möchte ins Ortsamt, als Bürger sozial,
doch zwei Wachen stehen davor: „Haben Sie einen Termin?
“ Den hab ich nicht, aber es ist dringend, ich bin alt und schließlich Steuerzahlerin.
Meine Worte an der Macht abprallen:
Alte Frau, du bist aus der Zeit gefallen.
Später, der Bankbeamte meint, ich sollte warten,
mein Portemonnaie liegt sicher irgendwo in einem Garten… aufgeweicht, ausgeraubt und träge,
es sicher bald im Briefkasten läge.
Wozu Ausweiskarte, Führerschein ?
Der Angestellte dachte, ich lebe im Altenheim.
Zurück wieder in unserem Häuschen, so zentral gelegen,
kriminell entweiht, so gemein und verwegen,
an der U-Bahn zum „Tor der Welt“!
Wer weiß wo er hin ist, der Halunke mit meinem Geld.
„Du sollst nicht stehlen“ hat leider nicht gewirkt,
in seinem Kopf Kriminelles sich verbirgt.
Gut, das Geld ist weg, die Karten auch,
was einmal war, stieg auf in Rauch.
Beklaut, diskriminiert frage ich des Alters wegen:
„Bin ich noch geschützt im Häuschen, das so zentral gelegen?
Besser, ich fang noch mal von vorne an
mit Glaube, Liebe, Hoffnung und meinem lieben Ehemann.
Will der modernen Welt zaghaft Vertrauen schenken,
doch vorher möchte ich mein Selbstmitleid noch in Tränen ertränken.

Informationen zum Gedicht: Der Dieb.

334 mal gelesen
10
14.05.2022
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Christine Biermann) für private Zwecke frei verwendet werden. Hier kommerzielle Anfrage stellen.
Anzeige