Mein Vögelchen
Ein Gedicht von
Björn Werres
Ich habe keine Wurzeln, die mich halten,
hilflos vom Winde davongetragen.
Ich opfere viele Äste, um meiner Last
zu entrinnen.
Nichts fruchtet.
Ich lebe nur für mich,
nichts bringt mich von der Stelle.
Noch bin ich klein,
blicke in die Ferne,
auf der Suche nach dem Sinn von Wurzeln;
ich bin am Ende des Bewußtseins.
Gibt es einen Sinn?
Meine Wurzeln wachsen, mit jedem Tag
kann ich mehr Äste tragen
-doch dann ein Windstoß,
der meine erstgrünen Blätter zerreißt.
Ich kann so oft nur zusehen
mit meinen blinden Augen.
In 120 Monden aber
werde ich Früchte tragen.
Nichts kann mein Massiv erschüttern.
Ich habe Äste, Zweige,
die im Winde schwingen.
Ich bin frei wie der kleine Vogel:
keine Gitterstäbe,
kein Gefängnis,
bin zwar ein
Massiv aus Holz, aber frei
so frei im Wind.
Ich stehe starr auf meinem Platz,
denn ein kleiner Vogel sucht sich
einen Platz zum Nisten.
Allein? Ich weiß es nicht…
ich habe keinen Einfluss,
ich gedeihe und das Leben
um mich gedeiht.
Werde ich allen
äußeren Einflüssen
widerstehen können?
Werde ich vielleicht zu früh
abgeholzt?
Es ist wie es ist, ich lebe,
und jenem Vogel
werde ich jederzeit
Zuflucht bieten,
frei durch mein eigenes Nichtstun.
Mein Holz ist hart und unverwüstlich.
Ich lebe!
Ich liebe!
Rosen verblühen,
mein Vorsatz jedoch
welkt nicht:
Mögen die Winde auch noch so stark sein,
mein Herz öffnet sich stets
mit einer Blüte von Dir.
***
B. Werres, FEBRUAR 1 9 9 3
für mein geliebtes Vögelchen, das wirklich 120 Monde später in meinen Ästen nistete. Und für unsere zwei wunderbaren Vogelküken.
In Liebe. Stets.
B.