Spaziergang im frühen März

Ein Gedicht von Annelie Kelch
Es ist noch frisch, als wollt' der Winter uns bestrafen
und durch die Bäume strolcht ein scharfer kalter Wind,
ich stutze, denn es fehlen zwei, drei Schiffe im Museumshafen,
die, ja, wohin denn nur?, Hals über Kopf verschwunden sind.

Die 'Haithabu' fühlt sich jetzt einsam trotz der Flaggen, zwei,
doch auch Frau 'La Paloma' sagt der Trave nicht „good bye“.
Mich fröstelt äußerlich und innerlich, möcht' sagen: Geh,
du kalter Märzenwinter - bis zum nächsten Mal, adieu!

Ein Briefkasten steht einsam auf dem Inselflecken,
um den herum diverse Autos ihre scharfen Kurven drehn.
Ich möchte euch noch einmal am Geburtstag wecken,
und eure kugelrund erwartungsvollen braunen Augen sehn.

Im Bäckergang erhascht mein Blick paar Leute, die sich drängen;
wahrscheinlich wird dort grade eine schöne Wohnung frei.
Ich selber bin inzwischen frei von fremdbestimmten Zwängen;
ein kleines Schaufenster wird bunt erfüllt von einem Osterei.

Ich denk' ans Auferstehungsfest und fühl mich um den Schlaf gebracht;
Wann hält der Frühling Einzug …? - Ach, da wird mir schmerzlich klar:
dass ich einmal allein in einer bitterkalten, dunklen Ostersamstagsnacht
von Westberlin, in einem Schnellzug dösend, heimgefahren war.

Informationen zum Gedicht: Spaziergang im frühen März

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25.03.2017
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