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Gedichte über das Gedicht - Seite 138


Das innere Kind

Das kleine Mädchen in mir, es findet keine Ruh,
es schreit und es zittert, doch niemand hört zu.
Die Große im Kopfe, sie ist ja so stark,
sie bestimmt und bestreitet das Leben- oft auch mit Gewalt.

Sie wohnen zusammen im Körper, die beiden Groß und Klein
und sind unzertrennlich, das muss ja so sein.
Die Kleine da drinnen, sie war zuerst da,
doch die andre die Große wurde stärker Jahr um Jahr.

Die Kleine sieht die Welt mit kindlichem Blick,
spürt Liebe, Hass, Ärger, Angst und den Augenblick.
Die Andre, die Große- im Kopfe verband sich mit Ihrem Ego
und nennt’s nun Verstand!

Wie soll da ein Kind im Bauch sich noch freun,
wenn oben der Kopf ihm ständig redet rein.
Du musst es doch schaffen, komm stell Dich nicht an,
Du bist jetzt erwachsen-musst steh’n Deinen Mann!
Du darfst keine Angst haben und Nöte dazu,
halt endlich mal still und gib doch schon Ruh.

Die Kleine weint und zieht sich zurück,
gebrochen, enttäuscht doch mit einem Trick.
Sie verkriecht sich woanders im Körper darauf,
sie zwickt und sie juckt, sie beißt und reißt aus.

Doch keiner will’s hören, sie passt nicht ins Spiel.
Was zählt ist was andres und heißt: Wie komm ich ans Ziel!
Die Macht und der Ehrgeiz sind ganz vorne dran,
dann kommt noch der Reichtum, dann bist Du ein Mann.

Doch manchmal da kommt der Kopf dann zu ruh‘n,
wenn er nicht mehr weiß, was soll er bloß tun?
Dann hört er ganz unten im Körper was schrei‘n,
er beginnt zu begreifen, was könnte es sein!

Da beugt sich der Große hinunter zu Dir.
Du – Kleine ich kenn Dich und Du gehörst mir!
Wir beide zusammen, wir beschützen uns nun,
dann kann uns kein Mensch auf der Welt mehr was tun.

Eva-Maria Pfitzer
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