urtöne
Ein Gedicht von
Lothar Schwalm
Es ist ein dumpfer, tiefer,
trötender Klang, der ertönt,
begleitet von Phasen, Schwingungen und Vibrationen,
blechern bisweilen,
dann wieder unendlich basslastig,
schnarrend, schnaubend, dröhnend und stöhnend,
tief und trompetend, brummend und bratschenartig
lädt er zum Mitbrummen ein,
zum Mitsummen und –schwingen:
der Urton der Erde, unserer Erde,
erzeugt aus den Urtiefen des Planeten,
aus den Schwingungen des Erdballs
in der Umlaufbahn um die Sonne.
Unglaublich, faszinierend, betörend,
ja fast schon beschwörend –
dringt er durch den Raum, den Kosmos,
dringt in mich ein,
durchfährt und durchströmt mich
bis in jede Zelle meines Körpers,
lebendig und kraftvoll, spirituell und sphärisch,
wie ein lebendes Didgeridoo,
geboren, um zu klingen,
und ich stimme mit ein,
lasse meine Stimme mit geschlossenen Lippen dazu klingen,
meine Stimmbänder, meine Kehle,
meine Brust, mein Brustkorb vibriert,
mein Körper schwingt, musiziert und klingt,
als wäre er eins mit diesem Planeten,
vielleicht sind die Brummtöne meines Tourette
nichts anderes als kosmische Tics,
laute der Planeten bei ihrem Umlauf um die Sonne.
Schon immer hatte ich brummende Tics,
und schon immer habe ich geahnt:
sie sind archaisch, sind Urtöne des Lebens,
meine Urtöne meines Körpers und meiner Seele
in Verbindung mit meinem Ursprung, der Erde,
mein Tourette als Kreation, als Kreatur,
als kreative Gebärmutter meiner eigenen Trtöne,
das ist ein phantastisches Gefühl:
mein Tourette als archaisch-kreatives Element meiner Seele,
meines Ursprungs,
die Geburt des Planeten setzt sich
in der Geburt jedes Lebewesens fort
und findet in jedem Laut eines Lebewesens seine Fortführung
und Rückführung an den Ursprung
die Ideen und die Gedanken von Krankheit als kreative Kreation
gefallen mir,
so lässt es sich leben, auch mit Tourette,
und so lässt es sich auch weiterhin brummen,
selbstbewusst und stolz,
auf jeden meiner Urtöne…
ls130909
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