Traurige Wirklichkeit

Ein Gedicht von Hans Witteborg
„Jungchen;“ sprach das Frau Mamachen,
„du gehst heute zu Papachen,
der mir das versprochen hat,
soll seh´n, dass er ein Söhnchen hat.

Ich bin bei Onkel Ferdinand,
die Nummer ist dir ja bekannt,
sollt ich noch nicht zu Hause sein.
Und Jungschen präge dir fein ein:

kein Geschenk von dem Papa,
warum, das weißt` inzwischen ja.
Ich kann das absolut nicht leiden,
will einen Keil zwischen uns treiben.

Das ist vorbei, wenn Ferdinand
als Stiefsohn dich erst anerkannt.“
Der Kleine ist total verwirrt:
hat er sich etwa grad geirrt?

Er brüllt und macht sofort Theater:
„Ich will nicht so´n Scheiss-Stiefvater“
Die Mutter aber ernsthaft spricht:
„So böse Worte sagt man nicht.

Und wenn ich das noch einmal höre,
bleibst du bei dem Papa, ich schwöre!“
Der Kleine denkt: „für mein Benehmen
brauch ich mich nicht sosehr zu schämen,
wie meine Eltern, die fürwahr
nicht besser als ein Rabenpaar.“

Informationen zum Gedicht: Traurige Wirklichkeit

4.376 mal gelesen
(Es hat bisher keiner das Gedicht bewertet)
-
03.12.2011
Das Gedicht darf nur mit einer Erlaubnis des Autoren kopiert oder veröffentlicht werden. Jetzt Anfrage stellen.
Anzeige