Kannitverstan
Ein Gedicht von
Heinz Säring
Frei nach der gleichnamigen Erzählung
von Johann Peter Hebel
Ein Handwerksbursch voll Mut und Kraft
war unterwegs auf Wanderschaft.
Er kam aus einem deutschen Land,
die Welt war ihm noch unbekannt,
als schließlich er in Holland war,
im schönen Amsterdam sogar.
Er stand vor einem großen Haus
und das sah wirklich prächtig aus.
Man sah es ihm von außen an:
Hier wohnt ein mächtig reicher Mann!
Er fragte einen, der ganz klar
in dieser Stadt zu Hause war:
"Wer ist es, der so wohnen kann?"
Und dieser sprach: "Kan nit verstan!"
Als er voller Neid und Gram
in die Hafengegend kam,
sah er nicht weit von einem Riff
ein schönes großes Segelschiff,
das mit Waren reich beladen,
und er fragt zu seinem Schaden,
wer wohl der Besitzer ist.
Und er hört nach kurzer Frist
von dem Hafen- Arbeitsmann
abermals:"Kan nit verstan!"
Diese Antwort wiederum
haut den Burschen völlig um.
Am Cafe-Tisch "Zur grünen Au",
da trifft er eine schöne Frau,
jedoch - es ist ein dummes Ding -,
sie trägt schon einen Ehering!
Doch trotzdem ist er dann so frei,
mal anzufragen, wer sie sei.
Leicht lächelnd sieht sie ihn nur an,
und ach, er hört "Kan nit verstan!"
Er zieht um in eine Kneipe,
sucht sich eine bill'ge Bleibe,
und hat dann die halbe Nacht
über alles nachgedacht:
Dieser Herr Kannitverstan,
so ein superreicher Mann,
hat vor Gram und Sorgen Ruh,
alles fällt ihm nur so zu!
Und dem Burschen tut sich kund:
Was bin ich ein armer Hund!
Ob es gleich an mir nicht liegt,
er ist traurig und bedrückt.
Nach drei Tagen, als er grad
alles ziemlich dicke hat,
kurz vom Leben schon genug,
sieht er einen Leichenzug.
Eine Dame fragt er leise:
"Wer macht hier die letzte Reise?"
Und die Frau, die sagt ihm dann
auch nur kurz: "Kan nit verstan.".
Ihm wird leichter, wie man sieht,
tröstend geht's durch sein Gemüt:
So ein stolzer Erdensohn,
ach, was hat er nun davon?
Dieser Mensch war furchtbar reich,
doch der Tod macht alle gleich!
Was geht mich das Ganze an?
Ich bin nicht Kannitverstan!
Wozu groß am Gelde kleben?
Lieber arm sein, aber leben!
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