Der wunderbare Herr Michel

Ein Gedicht von Hans Hartmut Dr. Karg
Der wunderbare Herr Michel

Jede Woche kam er aus Wemding her gefahren
Und gab mir alleine Geigenunterricht.
Ich weiß nicht, welches Auto er gefahren,
Musik hatte allein bei uns Gewicht.

Zehn Jahre hat er mir Spielen gelehrt,
Kein einziges Mal geschimpft oder gefragt.
Dafür habe ich ihn bis heute verehrt,
Weil er mich nie mit Belehrung geplagt.

Er sagte nichts, ich fragte nichts, so lief das gut,
Wir BEIDE standen eben nur auf gute Musik.
Das förderte mein Interesse, meine Musenglut,
Er zeigte mir Technisches – mit viel Geschick!

Als er ein einziges Mal im Musikunterricht musizierte
Mit Herrn Klein – manche Mitschüler ihn störten,
Weil ein Teil der Klasse sich interesselos aufführte,
Erlebte ich, wie die Künstler auf ihr Miteinander hörten.

Kulturbanausentum war Herrn Michel fremd,
Nur die Musik war's, für die er wirklich lebte.
Gegen Beleidigendes hat er sich nicht gestemmt,
Weil sein Gemüt stets nach Höherem strebte.

Fasziniert war ich, als er mir ein Silberetui gezeigt,
Das ihm der letzte russische Zar geschenkt,
Als er in St. Petersburg die Frühlingssonate gegeigt
Und er darauf ganz kurz seine Erinnerung gelenkt.

Man muss Erinnerungen der Vergangenheit entreißen,
Damit das Sterbliche ein wenig unsterblich bleibt,
Um so der Zukunft die guten Wege zu weisen,
Weil Gewesenes auch das Willige treibt.


©Hans Hartmut Karg
2023

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Informationen zum Gedicht: Der wunderbare Herr Michel

135 mal gelesen
09.07.2023
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Hans Hartmut Dr. Karg) für private Zwecke frei verwendet werden. Hier kommerzielle Anfrage stellen.
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