Der Marienkäfer (oder nächtlicher Besuch)
Ein Gedicht von
Heidi Geiberger
Ich las noch spät in einem Buch,
da – plötzlich – spürte ich Besuch,
er krabbelte auf meiner Hand,
ist bis zum Finger hingerannt
um dann, ganz ohne zu Verschnaufen,
bis auf die Kuppe raufzulaufen.
Ich leg ihn mit der and‘ren Hand
ganz behutsam an den Rand
meines Nachttischs mit den Worten,
„heute Nacht, da bleibst du dorten,
rühre dich nicht von der Stelle,
sonst erlebst du nicht das Helle!“
Schon ein kleines Weilchen später
spür‘ ich, wie der Übeltäter
krabbelt über mein Gesicht,
macht mir dann ein Auge dicht,
setzt sich mitten auf das Lid,
dass die Alte ihn nicht sieht.
Auf meinem Auge – und von wegen,
wohl noch Eier drauf zu legen?
Ich fass ihn sanft und leg ihn fein,
in die Nachttischlade rein,
schieb die ganze richtig zu
und will endlich meine Ruh‘.
Statt mit Schlafen wurd‘ die Nacht
mit viel Grübeln zugebracht,
hat das Kerlchen was zu fressen,
wird er‘s Schnaufen nicht vergessen -
heute Morgen find ich gar,
der Schreiner wohl ein Tierfreund war.
Der Käfer fand den großen Spalt
an der Hinterwand schon bald
und hat sich, während ich gewacht,
ganz leise aus dem Staub gemacht –
heut‘ Abend wart‘ ich doofe Wachtel
auf ihn mit einer Streichholzschachtel !
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